Die Leiden des jungen Christian N. die Zweite
von Christian Namberger, Oberinspektor i.R.
So, meine Lieben, jetzt ist schon wieder eine Woche rum. Es ist Sonntag und meist mein fauler Tag. Ich hab mich auf meine Minotti-Imitat Couch von Tchibo drapiert und schreib jetzt die Fortsetzung meiner Leidensgeschichte.
Eigentlich wollte ich heute mit der Krankheitsgeschichte beginnen, aber in dieser Woche hab ich mal wieder was erlebt, das ruft die Berichterstattung vom Transportiertwerden auf den Plan. Somit muss das noch warten, ich verspreche aber jetzt schon, das warten lohnt sich. Es wird spannend.
Heute geht es um die Mobilität in Form von Kutschiertwerden. Zu Arztterminen lass ich mich ja, wie schon erzählt, mit dem Roten Kreuz in nem Mercedes Transporter fahren. Das klappt sehr gut, Klappe auf, Rampe runter und Zausel rein. Da ich mich da hinten wie auf einer Ladefläche eines Lastwagens fühle, nenn ich die Transportscheine vom Arzt immer Lieferscheine. Das zaubert immer wieder mal ein Lächeln auf die Lippen der jungen Zivis und man kommt leichter ins Gespräch.
Mein Physiotherapeut meinte letztes Jahr, ich solle mich doch in einem Fitnessstudio anmelden, um zusätzlich zu Kräften zu kommen. Ich fragte ihn zuerst, ob er denn von Sinnen sei. Zu Hause hatte ich den Vorschlag aber noch im Gehörgang und dachte drüber nach. Ich sinnierte, wo ich denn mit dem Bus hinfahren kann. Da fiel mir der Vita Club Süd in der Alpenstraße ein. Ich klärte die Barrierefreiheit ab und wusste, dass die dort einen sogenannten Besser Leben Gutschein von meiner Krankenversicherung nehmen. Mit dem kann ich 6 Monate gratis trainieren. Gratis ist sowieso mein Zauberwort und zum Versuchen, ob ich das ganze überhaupt schaffe und durchhalte, dafür ist so ein Gutschein äußerst zweckdienlich.
Seitdem bin ich Busfahrer.
Und ich kann nachvollziehen, warum so viele Leute nicht mit den Öffis fahren wollen. Es gibt eine genügend große Zahl an Fahrern, die schlichtweg unverschämt sind. Mittlerweile erkenne ich schon am Gesichtsausdruck des Fahrers beim Ankommen des Busses, wie das Ganze ablaufen wird. Bei nem angewiderten Gesicht gibt es nicht mal einen Gruß, obwohl ich Dank meiner guten Erziehung stets freundlich grüße. Dann wird die Rollstuhlrampe auch von oben einfach fallen gelassen und diese massive Platte knallt mit lautem Getöse auf den Asphalt. Im Sommer staubt es, im Winter spritzt der Matsch. Weiters schaffen es die meisten Chauffeure nicht, den Knopf der Hydropneumatik auf dem Armaturenbrett zu drücken, um den Bus auf einer Seite abzusenken. Somit gibt es meist einen steilen Böschungswinkel und ich bleib mit meinen Fußstützen stecken. Von alleine wird von dieser Art von Fahrern nicht geholfen, man muss darum bitten. Beim Aussteigen ist’s dasselbe, nur halt umgekehrt. Durch die Steilheit der Rampe komm ich vorwärts nicht raus und muss rückwärts hinausfahren, das geht aber nur, wenn der Gnädige mich hält. Da darf man sich dann schon mal scharf anreden lassen, warum man denn nicht vorwärts rausfährt. Ich erkläre es dem widerspenstigen Fahrer dann ganz süffisant, dass, wenn er die Absenkung betätigt hätte, ich seine Hilfe nicht bräuchte.
Aber das ist nicht das Einzige, was es beim Busfahren zu bemäkeln gibt. Viele Fahrer wissen nicht, dass der Haken zum Öffnen der Rampe beim Feuerlöscher deponiert ist. Ich muss denen das dann sagen. Die bekommen scheint‘s keine Einführung. Auch die Tarife und das Bedienen des Fahrscheinautomaten bereitet öfter mal Kopfzerbrechen. Anfänglich zahlte ich ganz normal. Bis ich an einen türkisch-stämmigen Fahrer kam. Der sagte mir, da ich ja im Rollstuhl unterwegs bin, zahl ich nur den Minimumtarif. Das ist die Hälfte des regulären Fahrpreises. Fiel den anderen Fahrern nicht auf, dass ich im Rollstuhl sitze? Seitdem sag ich immer dazu „Minimumtarif bitte“. Da kam dann allerdings auch mal von nem patzigen Fahrer die Frage, ob ich denn einen Behindertenausweis habe. Was soll man da noch sagen?
Es gäbe noch sooooo viel zu berichten über die Erlebnisse beim Unterwegssein mit öffentlichen Fahrzeugen, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Was ich aber auf alle Fälle sagen kann, dass Fahrer mit sogenanntem Migrationshintergund stets freundlich und hilfsbereit sind.
Mit diesen Erfahrungen schließe ich für heute und halte es wie Paulchen Panther…
„Heute ist nicht alle Tage. Ich komm‘ wieder, keine Frage“…