Die Orchidee betrügt!

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Unbeschreiblich schönes Mohnrot!

Viel hab ich gelesen diesen Sommer. Donna Leon entspannt ungemein, Schwarzeneggers Biografie ist gut zum Einschlafen, ich war immer ganz verwirrt ob der vielen Bodybuilder Posen und hab dann zum Vorstellen die Augen geschlossen und weg war ich! Black out bleibt mir in Erinnerung, ein europaweiter Stromausfall kann uns jederzeit treffen, dann gute Nacht Zivilisation! Wir erschossen auch Hunde ist ein Buch über den Irakkrieg. Amerikanische Soldaten erinnern sich: Krieg ist nur hässlich, gewalttätig und menschenverachtend. Die Folgen erleben wir jetzt. Millionen Männer, Frauen und Kinder sind auf der Flucht, verständlicherweise nicht aus wirtschaftlichen Gründen!
Nicht böse sein jetzt, aber ich möchte euch zwei Bücher ans Herz legen, die etwas ganz anderes zum Thema haben: Pflanzen.
Barbara Frischmuths „Der unwiderstehliche Garten“ und „Die Intelligenz der Pflanzen“ von Mancuso und Viola.
Wie langweilig denkt ihr vielleicht, unkritisch, unpolitisch?

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Wer nutzt wem? Der Schmetterling dem Schmetterlingsflieder?

Mir haben die beiden Bücher Kraft gegeben, weil sie mich sensibler gemacht haben. Nicht immer nur das Große zu sehen, das sofort ins Auge fällt. Vieles geschieht im Verborgenen, Schönes wie Hässliches. Manches, was uns missfällt, ist beim zweiten Hinsehen wunderbar. Und manch Schönes entpuppt sich als grausam. Pflanzen lehren einen, den Blick zu schärfen.

Barbara Frischmuth lässt uns teilhaben an ihrer Beziehungsgeschichte zu ihrem Garten. Sie ist keine Romantikerin, sie reißt aus, pflanzt um, gestaltet aus egoistischen Gründen Beete neu. Dabei bleibt sie aufmerksam, wird überrascht, wenn nach langer Zeit eine Pflanze auftaucht, die schon längst vergessen war. Eine große Liebe begleitet sie über all die Jahre, sie opfert sich für die Iris in all ihren Arten auf. Mir unverständlich, ich finde die Iris eher langweilig. Ich glaub ich habe nicht mal eine im Garten.

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Die „hilfsbereite“ Lupine

Aber ich kenne die Kraft des Umgestaltens. Meist schlummert ein Bild in einem drinnen, oft im Winter, wahrscheinlich ist das schon die Vorfreude auf die kommende Gartensaison. Ein neues Beet muss her, man pflanzt im Kopf schon alles voll. Man lässt das Fleckchen in den schönsten Farben erblühen. Und wenn man dann im April zur Tat schreitet, geht es einem leicht von der Hand. Die Überraschung kommt dann im Juni, plötzlich sieht man, dass alles ganz anders geworden ist. Weil zwei Pflanzen partout nicht kommen wollten, dafür steht plötzlich eine Akelei mittendrin und da kommt noch etwas. Was, das wird erst der Juli weisen. Also Geduld!
Pflanzen sind eigenwillige Geschöpfe denkt man und schreckt im nächsten Augenblick zurück. Pflanzen eigenwillig? Pflanzen sollen einen eigenen Willen haben?

Und da kommt mein zweiter Buchtipp ins Spiel: Die Intelligenz der Pflanzen ist spannender als ein Thriller. Pflanzen sind soziale Wesen, sie kommunizieren nicht nur miteinander sondern auch mit anderen Lebewesen. Das behaupten jedenfalls die beiden Autoren. Und wenn man dann liest, wie eine Lupine die fleißigen Bienen bei der Arbeit unterstützt, gesteht man ihr fast menschliche Eigenschaften zu. Eine Lupine hat unzählige Blüten. Damit sich die Biene Majas dieser Welt nicht umsonst abrackern, verfärbt die Lupine ihre Blüte zu Blau, sobald sie keine Pollen und keinen Nektar mehr zu bieten hat. Somit erspart sie den Insekten leere Meter. Ich muss nächstes Jahr die hilfsbereite Lupine besser beobachten!

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Inkagurke und Wein schließen sich zusammen, um sich zu stützen!

Die Orchidee ist das genaue Gegenteil, sie täuscht und trickst und geht sogar so weit, ihre Blüten als Solitärbienen, in Form, Gewebebeschaffenheit und Lockduft, zu präsentieren. Und die tierische Drohne kann nicht anders, als sich mit der Blüte zu paaren und dabei die ganzen Pollen aufzunehmen und sie zur nächsten Täuschungsblüte zu tragen. Die vielgerühmte Orchidee eine schnöde Betrügerin?
Mancuso und Viola entführen in die Welt der Pflanzen von der Wurzel bis zur höchsten Baumkrone. Mit vielen Geschichten und viel Wissenschaft.
Der Herbst nähert sich mit großen Schritten. Die Veränderungen an den Pflanzen im Garten werde ich jetzt genauer beobachten und mich daran erfreuen, denn es wartet sicher wieder die eine oder andere Überraschung. Und dieser Satz wird mich begleiten:

Pflanzen sind nicht nur Grundbestandteil des Lebens, sondern auch ein Geschenk an die Menschheit und ihre Intelligenz – das sie oft achtlos wegwirft

Ich will achtsam sein.