Vom Händeschütteln und anderen Missverständnissen
Mei o mei, was hab ich mich aufgeregt! Genervt hat mich das! Direkt gekocht hab ich manchmal innerlich! Damals in Istanbul vor 20 Jahren. Da habe ich studiert und eine Menge Leute kennengelernt. Nicht nur Studentinnen und Studenten, sondern auch viele Türkinnen und Türken, jedweden Alters. Ich war des öfteren bei Familien eingeladen, zum Kaffeeplausch, Frühstück oder Abendessen. Und natürlich bin ich da mit einem kleinen Gastgeschenk hingegangen. Das wurde dann immer achtlos auf die Seite gestellt. Pffff… Und manchmal haben mir die Männer der Familie nicht die Hand gegeben und schon gar nicht in die Augen geblickt, wenn sie mit mir gesprochen haben. Gott sei Dank haben sich bei diesen Einladungen die Geschlechter dann oftmals getrennt und ich war dann nur mit den Frauen, was immer ein riesiger Spaß war. Natürlich bin ich höflich geblieben und habe das Händeschütteln und In- die –Augen- Blicken nicht herausgefordert. Das ist mir nach meinen Istanbul-Aufenthalten auch manchmal mit muslimischen Männern so gegangen, deren Frauen ich in Deutsch unterrichtet hatte. Kein Händeschütteln und kein Augenkontakt. Nervig, irgendwie erniedrigend, ich kam mir völlig missachtet vor. Aber nie hätte ich was gesagt. Feig, oder?
Bis ich dann irgendwann Ende der 1990er Jahre ein langes Gespräch mit einem Imam hatte. Irgendwann klagte ich ihm mein Leid. Dass es so nervig ist, wenn die Männer das Händeschütteln verweigern und mir nicht in die Augen schauen können. Da hat er laut zum Lachen angefangen. Und mir gesagt, dass ich da einem großen Missverständnis aufsitze. Viele muslimische Männer geben mir einfach die Hand aus Respekt nicht. Die wollen mich nicht in Verlegenheit bringen. Weil der Respekt gebietet, dass man eine Frau außerhalb der Familie nicht berührt. Sonst könnte sie sich in ihrer Ehre verletzt fühlen. AHA! Natürlich habe ich nach diesem Gespräch offen andere Musliminnen und Muslime gefragt, ob das so stimmt. Alle haben immer zustimmend genickt. Und das mit den auf die Seite gestellten Geschenken wollte ich auch wissen. Ganz einfach. Dass jemand ein Geschenk gibt ist etwas sehr Schönes. Sollte etwas drinnen sein, was der Beschenkte nicht so toll findet, dann erspart man dem Schenkenden einen Gesichtsverlust, sollte die Enttäuschung zu groß sein oder sogar im Gesicht ablesbar. Bedanken kann man sich ja dann ganz gefasst beim nächsten Treffen.
Ich habe meine Lehren daraus gezogen:
- Ich frage jetzt immer ganz offen, wenn mir was suspekt vorkommt
- Ich sage auch ganz offen, dass ich mir in Österreich ein Händeschütteln erwarte, weil das in Österreich der Respekt gebietet. In der Türkei aber akzeptiere ich das Nicht-Berühren völlig.
- Ich möchte nicht, dass aufgrund von kulturellen Missverständnissen Konflikte entstehen
- Darum Information, Information, Information
Im „Welcome Guide“ der Stadt Salzburg haben wir die wichtigsten Tipps und Infos zusammengefasst, damit sich andere gleich mal leichter tun und sich nicht wie ich jahrelang umsonst ärgern müssen ;)