Ich bin es leid. Still zu sein.

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 Von Campo de‘ Fiori

„Die ethnische Homogenität muss gewahrt bleiben und zu viel Vermischung bringt nur Probleme“ Sollte jemand von Ihnen nun denken, ich beziehe mich dabei auf die Nürnberger Gesetze des dritten Reichs, oder die nicht minder menschenverachtenden Rassentheorien des 19. oder frühen 20. Jahrhunderts, das Apartheid Regime in Südafrika oder den Völkermord in Darfur oder Ruanda, den muss ich leider gleich zu Beginn enttäuschen.

Der Sturm der Entrüstung?

Nein, dieses Zitat war kürzlich zu vernehmen und es stammt, so unglaublich es hinsichtlich der gesellschaftspolitischen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erscheint, von einem führenden Politiker der Europäischen Union, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Mitten aus einer Wertegemeinschaft, die sich Menschenrechte und Grundfreiheiten sehr gern auf ihre Fahnen heftet.

Es wird einen Sturm der Entrüstung auslösen. Es muss einen Sturm der Entrüstung auslösen. Meint man, hofft man. Nein, Stille. Das Gewissen der Gesellschaft verträgt also bereits wieder die nächste Dosis. Man kann es schon wieder sagen, im Jahr 2017, wenn auch mit etwas feinerer Klinge, verglichen mit den Begriffen wie „Rassenschande, Verkafferung“ oder ähnlichem, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen.

Die ethnische Homogenität, die Reinheit des Volkes, keine Vermischung. Jenseitige Ansichten finden von höchsten demokratiepolitischen Stellen den Weg von den Müllhalden der menschlichen Geschichte zurück in die Mitte unserer Gesellschaft. Unkommentiert, gleichgültig, ja teilweise sogar zustimmend.

Das Reinheitsgebot politischer Führer

Dunkelhäutige Kinder, die mit Polizeischutz vor dem Mob des „reinen“ Volkes in die Schule eskortiert werden müssen oder ihre Mütter, die aus dem öffentlichen Bus festgenommen werden, weil sie sich weigern, Platz zu machen.  Vor Gericht gestellte Ehepaare unterschiedlicher Hautfarbe. Millionen von Menschen vertrieben, verfolgt, getötet, weil sie dem Reinheitsgebot politischer Führer nicht Genüge getan haben.  Wollen wir das? Oder nehmen wir nur stillschweigend und achselzuckend Notiz davon, um uns dann in den Kreis jener zu gesellen, die davon nichts gewusst haben wollten und die natürlich keine Verantwortung dafür tragen.

Meine Worte mögen Ihnen zu drastisch erscheinen, vielleicht male ich auch ein zu düsteres Bild. Aber ich bin es leid. Ich bin es leid, still zu sein und achselzuckend zu vernehmen, wie  der dunkle Geist der Vergangenheit unwidersprochen durch unsere Gesellschaft weht.  Wo politische Führer wieder bejubelt werden, wenn sie die Einheit des eigenen Volkes beschwören, wo kritische Geister wieder als Feinde bezeichnet werden und Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe als minder eingestuft werden, die vom eigenen Volk fern gehalten werden müssen.

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Wenn dies mehr als nur ein Lippenbekenntnis ist und wir Rassismus und Nationalismus wirklich als vergangen wähnen, dann ist es an der Zeit, die Stimme zu erheben. Jetzt!