Immer wenn ich einen Peter Jackson-Film gleich als erstes in einer Mitternachtspremiere sehe, dann fragen mich am nächsten Tag alle, wie’s war. Die diplomatische Antwort lautet: Es kommt ganz drauf an. Und zwar darauf, ob man ein großer Tolkien-Fan oder Peter Jackson-Fan ist. Oder ob man Filme dann perfekt findet, wenn die CGI einfach umwerfend ist. Oder ob man einfach nur ein normaler Kinogänger ist, der nur eine gute Geschichte sehen will.

Ich selbst gehöre zur letzteren Gruppe. Und zu „Der Hobbit – Die Schlacht der fünf Heere“ kann ich nur sagen: Wie man Tolkiens Bücher gut verfilmt, hat noch kein anderer so richtig vorgemacht. Peter Jackson ist darin also der konkurrenzlose Meister. Und mit seiner Meisterhand hat er auch diesen Film sehr souverän inszeniert.

THE HOBBIT: THE DESOLATION OF SMAUG

Im Goldfieber: Thorin Eichenschild

Aber ist es auch ein guter Film?
Erzählerisch sicher nicht – wenn man „Die Schlacht der fünf Heere“ als eigenständigen Film betrachtet. Das soll man nach dem Willen des Regisseurs auch gar nicht. Denn Teil 2 „Smaugs Einöde“ endet im spannendsten Augenblick, als der goldgierige Drache Smaug erwacht, seine Höhle im Einsamen Berg verlässt und auf die Seestadt Esgaroth zufliegt. Und genau dort setzt Teil 3 fort.

+++ SPOILER+++
Hätte Teil 2 eine Viertelstunde länger gedauert, hätte „Smaugs Einöde“ einen schönen Abschluss erhalten. Denn länger dauert es nicht, bis Smaug niedergestreckt wird. Hätte sich Peter Jackson nicht auf diesen furiosen Auftakt zu Teil 3 verlassen können, dann hätte er den Einstieg in die eigentliche Geschichte von „Die Schlacht der fünf Heere“ sorgfältiger aufbauen müssen.
+++SPOILER ENDE+++

Thorin Eichenschild, der König der Zwerge, verfällt dem Drachenfieber. Er ist besessen von der Wirkung des Arkensteins. Als Herr übergroßer Reichtümer im Berg will er weder den Menschen der zerstörten Seestadt helfen, noch den Elben einen bestimmten Teil des Schatzes aus weißglänzenden Juwelen überlassen, den sie als den Ihren betrachten. Da führt er doch lieber Krieg gegen die Menschen und die Elben – bis die Heere der Orks kommen. Menschen, Elben und Zwerge liefern gemeinsam den Orks einen erbitterten Kampf.

THE HOBBIT: THE BATTLE OF THE FIVE ARMIES

Nicht gut drauf und ziemlich fieser Ork: Bolg

Das große Gemetzel
Was folgt, sind knapp 1,5 Stunden Gemetzel. Es wird geschlagen, erstochen und Gliedmaßen abgehackt. Und die Orks kommen mit immer grässlicheren Fabelwesen daher. Alles ist visuell perfekt. Aber ich hab das Schlachten unberührt verfolgt, weder mit Spannung noch mit Langeweile. Es gibt ein paar dramatisch gut ausgenutzte Showdowns zwischen ein einigen der Hauptfiguren. So habe ich wenigstens nicht ganz geistig abgeschaltet. Was ein Film aber braucht, ist ein wenig Interesse an Schicksalen. Mir kommt vor, als würde ich das bei jedem zweiten Film-Kommentar fordern. Die fünf Minuten, die dem elbisch-zwergischem Liebespaar Tauriel [Evangeline Lilly – bitte mehr Filme mit ihr!] und Kili [„sexiest dwarf alive“ Aidan Turner] gewidmet sind, reichen dazu bei weitem nicht aus. Ebenso geht die Belastungsprobe der Freundschaft zwischen Thorin Eichenschild [Richard Armitage] und Bilbo Beutlin [Martin Freeman] im Gemetzel unter.

THE HOBBIT: THE BATTLE OF FIVE ARMIES

Erste Hlfe für Gandalf: Galadriel

10 Seiten aus einem Buch geben nicht viel her – jedenfalls nicht ausreichend Stoff für 2,5 Stunden Film. Dadurch dass die Zwerge und der Hobbit sich nicht mehr auf einer Wanderung befinden, auf der es immer neue Abenteuer zu bestehen gilt, wird nicht viel Abwechslung geboten. Peter Jackson hat sich bemüht, noch etwas Geschichte mit hineinzubringen, zum Bespiel indem er eine Konfrontation mit Sauron als Überleitung zu „Herr der Ringe“ schafft. Doch es kam mir ein bisschen so vor, als sollte diese nicht allzu sehr von der Schlacht ablenken. Da schludert der Regisseur genauso drüber wie beim Ende der Schlacht.

Nachdem Teil 1 und 2 schon als je über 20 Minuten längere Versionen auf Blu-ray erschienen sind, dürfen sich Fans sicher nächste Weihnachten auf eine Extended Version von Teil 3 freuen. Liebes Christkind, bitte beschere mir jedoch eine verkürzte Version dieser Trilogie – zwei Teile mit je zwei Stunden. Ich würd mich drüber freuen.

Meine Bewertung auf IMDB: 7 Punkte
Wie erwartet, technisch Perfekt: noch mehr Computer-generierte Bilder, noch mehr Orks. Vorschlag für einen alternativen Titel: „Wo ist Bilbo Beutlin?“

 

Alle Photos: Courtesy of Warner Bros. Pictures

 

Horrorfilme sind blöd. Das höre ich oft. Und wenn ich die Horrorfilme der letzten Jahre ansehe, dann stimmt eines: Es ist um dieses Genre gar nicht gut bestellt. Es werden zu viele billige 0815-Filme gemacht. Wie viele Fortsetzungen von „Paranormal Activity“ gibt es jetzt schon?

Dieser Blogpost ist für alle, die sich durch Horror intellektuell beleidigt fühlen oder Horrorfilme nicht ansehen, weil sie keine Geschichten mögen, „die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben“. Ja, auch dieses Argument höre ich öfter.

Manchmal muss man sich aber auch nur ein wenig mit dem Film auseinandersetzen, um zu sehen, welche Geschichte er tatsächlich erzählt.

Der australische Film „The Babadook“ ist hier ein gutes Beispiel. Er läuft derzeit in Großbritannien und den USA und bekommt einiges Kritikerlob. Beim Publikum kommt er jedoch nicht so gut an. „Zu wenige Schreckmomente und man muss bis zum Schluss warten, bis man das Monster endlich ein bisschen sieht“, so viele Reaktionen auf IMDB.

Warum ist „The Babadook“ nicht so produziert, dass er genau diese Erwartungen erfüllt? Weil es in Wahrheit gar kein Monster gibt. Die Geschichte ist nämlich eine ganz andere.

Wie ich die Handlung verstanden habe
(Achtung Spoiler – und gleichzeitig irgendwie doch keine Spoiler, weil der Film die Handlung in anderen Bildern zeigt.)
Amelia ist die Mutter des kleinen Sam, dessen Vater am Tag seiner Geburt starb. Amelia hat den Tod ihres Mannes über Jahre nicht verarbeitet. Kurz vor seinem siebten Geburtstag hört Sam nicht auf, von Monstern zu reden und davon, wie er seine Mutter vor ihnen beschützen wird. Dafür bastelt er sich ziemlich ausgeklügelte Waffen. Sam ist von vornherein schwierig, weil stark verhaltensauffällig. Zu allem Überfluss wird er in der Schule mit einer seiner Waffen erwischt. Amelia muss ihn aus der Schule nehmen.
Sam wird immer schwieriger, was auch mehr Druck für die Mutter bedeutet. Als Amelia Sam abends Geschichten vorliest, löst das makabre Kinderbuch „The Babadook“ bei ihr einen psychotischen Schub aus. Amelia leidet an Angstzuständen, wird zunehmend depressiv und zieht sich immer mehr zurück. Sie hat Halluzinationen, die sie so weit treiben, dass sie ihren Sohn töten will. Mit seinen selbstgebastelten Waffen, setzt Sam seine Mutter immer wieder kurzfristig außer Gefecht. Letztlich bekommt Amelia ihn zu fassen und versucht ihn zu erwürgen. Sam streichelt währenddessen sanft ihre Wangen und beteuert, dass er sie immer beschützen wird. Amelia findet durch diese bedingungslose Liebe ihres Kindes wieder in die reale Welt zurück.
Der kleine Sam wusste also genau, auf welches Monster er sich die ganze Zeit über vorbereitet hat. Amelia kann ihre Monster (sprich, Ängste) nun wieder weit in die Untiefen ihres Unterbewusstseins zurückdrängen. Vielleicht nur bis zu Sams achtem Geburtstag, dem nächsten Todestag ihres geliebten Mannes.

Auch ohne das Monster Babadook ist diese Geschichte ein ziemlich packender Stoff. Allerdings sind das Drehbuch und die Regie von Jennifer Kent viel cleverer als das Marketing des Films. Der Trailer suggeriert einen Monsterfilm und auch auf der Facebook-Seite sehe ich fast nur Bilder des Monsters. Natürlich weckt das beim Publikum gewisse Erwartungen. Auch wenn eigentlich eine viel bessere Geschichte erzählt wird, als nach dem Trailer zu erwarten war, sind Horror-Fans enttäuscht. Das müsste nicht sein. Immerhin haben es andere Geschichten mit ähnlichen Themen zum Klassiker gebracht.

Anleihen bei Stephen King?
Rückzug, Einsamkeit, Wahnsinn und Gewalt gegen die Familie: Hört sich an, als gäbe es da einige Gemeinsamkeiten mit dem Stephen King-Klassiker „The Shining“. Mit dem Unterschied, dass hier doch übernatürliche Kräfte am Werk sind: Das Overlook Hotel in „The Shining“ hat eine eigene böse Persönlichkeit und nimmt Besitz von Jack Torrance [im Film gespielt von Jack Nicholson]. Außerdem ist Jacks Sohn übersinnlich begabt; er kann Ereignisse aus der Zukunft und der Vergangenheit ebenso sehen wie Geister. Doch anders als Jack Torrance in „The Shining“ ist Amelia in „The Babadook“ nichts Übernatürlichem ausgesetzt, das von ihr Besitz ergreift. Das Kinderbuch ist nur der Auslöser dafür, dass Amelia völlig in eine Wahnwelt abdriftet.

 

Parallelen zu einem Gothic Horror-Klassiker
„The Babadook“ hat mich vielmehr an eine ganz andere Geschichte erinnert. „The Innocents“ (mit dem schrecklich blöden und unpassenden deutschen Titel „Das Schloss des Schreckens“). Der Film aus 1961 basiert auf der Gothic Horror-Novelle „The Turn of the Screw“ des amerikanisch-britischen Autors Henry James aus dem Jahr 1898. Es ist eine Geistergeschichte, doch lässt sie verschiedene Deutungen zu. Für die Verfilmung verfasste ein anderer großer Autor das Drehbuch: Truman Capote. Dieser entschied sich für eine eindeutigere Version, als die Vorlage es ist.

Inhalt – The Innocents
Miss Giddens [Deborah Kerr] kommt auf einen riesigen Landsitz als neue Gouvernante der Kinder Flora und Miles. Deren frühere sehr enge Bezugspersonen waren das Kindermädchen Miss Jessop, die sich im Jahr davor ertränkte, und ihr Liebhaber – der attraktive, aber brutale Peter Quinn. Auch er ist tot. Immer wieder sieht Miss Giddens die Geist-Erscheinungen einer Frau und eines Mannes, Jessop und Quinn. Und bald wird ihr klar: Die Kinder sind von den Geistern der beiden Verstorbenen besessen. Sie tuscheln und lachen unverschämt und hinter der unschuldigen Fassade stecken böse Gedanken und Taten. Miss Giddens konfrontiert Flora mit der Wahrheit, doch diese wehrt sich und beginnt ihre Gouvernante übel zu beschimpfen. Danach sorgt Miss Giddens dafür, dass sie mit Miles die Nacht ganz alleine im Haus verbringt. Sie will Miles mit dem Geist von Peter Quinn konfrontieren. Miles soll seine Besessenheit von Quinn zugeben. Es gelingt: Peter Quinn erscheint. Die Gouvernante hält währenddessen den schreienden, weinenden Jungen fest umklammert. Als Quinn verschwindet, ist der Junge tot. Weinend drückt ihm die Gouvernante einen langen Kuss auf den Mund.

Nur eine altmodische Geistergeschichte?
Als ich den Film als Teenager sah, habe ich ihn als reine, reichlich altmodische Geistergeschichte mit einigen recht gruseligen Szenen erlebt. Vor kurzem habe ich ihn zufällig wieder gesehen, aber mit ganz anderen Augen. Plötzlich wurde mir klar: Die Geist-Erscheinungen sind die Fiktion einer nicht mehr ganz jungen Gouvernante mit paranoider Psychose und unterdrückten sexuellen Fantasien.

 

Als „The Innocents“ 1961 herauskam, waren die Kritiker voller Lob, doch das Publikum war weniger begeistert. Es war also so ähnlich wie heute bei „The Babadook“. Möglicherweise braucht es ja immer einige Jahre, bis die Leute lernen, einen Film richtig zu schätzen – oder losgelöst von den Erwartungen anzusehen, die der Trailer erzeugt. Das junge Publikum von heute, das Jump Scares und Blood and Gore erwartet, könnte sich schon in ein paar Jahren für die dahinterliegende Geschichte interessieren. Ich hoffe es zumindest.

Filme über psychische Störungen sind freilich nicht automatisch gute Horrorfilme. Sie sind auch nur eine Variante des psychologischen Horrors. Vielleicht sind jetzt aber einige von denen, die Horrorfilme meiden, doch neugierig geworden. Wenn ja: Guten Grusel beim Anschauen.

Übrigens: Für „The Babadook“ ist leider noch kein Filmstart Österreich oder Deutschland festgelegt.

 

„Interstellar“ hat einen intensiven Wunsch in mir geweckt: Den Wunsch durch Zeitkrümmung an die Punkte meines Leben zurückzukehren, wo ich in Physik nicht aufgepasst oder Artikel über allgemeine Relativitätstheorie oder Astrophysik überblättert habe. Das ist unmöglich. Darum habe nachträglich ein klein bisschen nachgelesen (es gibt einige Artikel, die sich nur mit der Wissenschaft in „Interstellar“ beschäftigen) – und dann den Film ein zweites Mal angesehen.

Astrophysiker bin ich noch immer keiner, aber auch beim zweiten Mal war dieser Film ein sehenswertes Spektakel: beeindruckend, großartig und völlig überspannt.

INTERSTELLAR

Der Inhalt
In einer sehr nahen Zukunft wird die Welt allmählich unbewohnbar. Sandstürme toben regelmäßig, immer mehr Nutzpflanzen werden von Krankheiten befallen und können nicht mehr angebaut werden. Mais ist das einzige, das noch wächst – wer weiß, wie lange noch. Die Menschheit konzentriert sich darauf, irgendwie den derzeitigen Status zu halten. Da ist kein Platz mehr für Ingenieure und Erfinder mit ihren geldverschwenderischen Vorhaben. Der ehemalige NASA-Pilot Cooper [Matthew McConaughey] bewirtschaftet daher die Farm seiner Familie. Die Weltraumbehörde gibt es schon lange nicht mehr. Doch im Geheimen arbeitet Professor Brand mit ehemaligen NASA-Leuten an einer Raumfahrt-Mission, denn in der Nähe des Saturns hat sich ein Wurmloch aufgetan. Die Besatzung, darunter auch Brands Tochter Amelia [Anne Hathaway], soll in einer Lichtjahre entfernten Galaxie eine neue Heimat für die Menschheit finden. Cooper kann also wieder seinem Drang und seiner Bestimmung folgen, „seinen Platz zwischen all den Sternen zu finden“. Seine Tochter Murph [Mackenzie Foy als Kind, Jessica Chastain als erwachsene Murph] will ihn mit allen Mitteln zurückhalten. Sie verzeiht ihm viele Jahre nicht, dass er sie verlassen hat.

Eine neue Spielwiese
Christopher Nolan
ist als Regisseur nicht gerade dafür bekannt, dass er kleine, bescheidene Filme macht. Ob sein düsterer „Batman“ oder „Inception“ – seine Filme sind alle visuell bombastisch. Doch wo bei anderen die gewaltigen Bilder von der fehlenden Handlung ablenken, geht Christopher Nolan davon aus, dass sein Publikum durchaus fähig ist, auch komplexere Geschichten zu verarbeiten. Und tatsächlich: Manche Menschen haben das völlig verschachtelte „Inception“ schon beim ersten Mal Ansehen verstanden.

Im Vergleich scheint die Geschichte von „Interstellar“ erst einmal recht einfach (abgesehen von all dem wissenschaftlichen Gerede) und linear. Erst am Ende wirft eine Wendung diese Linearität über den Haufen – und mit ihr höchstwahrscheinlich auch das Raum-Zeit-Kontinuum, befürchte ich. Übrigens: Genau über diese Wendung, wie sie umgesetzt ist und was sie bedeutet, lässt sich nach dem Kino leidenschaftlich diskutieren und vortrefflich streiten.

Nichts zu streiten gibt es über die visuelle Kraft des Films, der zu zwei Dritteln im Weltall spielt. Und dieses All ist großartig anzusehen: Ein schwarzes Loch, die atemberaubende Fahrt durch das Wurmloch und fremdartige Planeten. Ich befand mich in einem 2 Stunden und 48 Minuten dauernden Zustand des Staunens.

INTERSTELLARAll You Need Is Love
Und dennoch ist die wichtigste Dimension des Films die menschliche. Sie ist nicht nur Beiwerk, um die Geschichte abzurunden – sie IST die eigentliche Geschichte. Im All beginnt Amelia über die Liebe zu philosophieren – darüber, welche Bedeutung sie hat. Was ist der Grund, dass sie eine solche Kraft besitzt, dass sie Distanzen von Milliarden Lichtjahren sowie die Zeit überwindet und sogar über den Tod hinausgeht? Die Liebe als innere Antriebskraft zieht Amelia zu einem fernen Planeten. Cooper, der Rationale, glaubt nicht daran, dass die Liebe eine Art höhere Macht ist und will sich nicht von ihr leiten lassen. Doch als ihm bewusst wird, was es wirklich bedeutet, dass in den für ihn wenigen Monaten seiner Reise auf der Erde viele Jahrzehnte vergangen sind, gerät er ins Wanken. Das Herz treibt ihn nach Hause zu Murph.

Erschreckend real?
In einer anderen Aussage über die Menschen fand ich den Film besonders interessant – und zwar darüber, wie die Gesellschaft damit umgeht, dass die Erde ihr keine Heimat mehr bieten kann. Sie beschäftigt sich nur mehr mit Dingen, die das Überleben sichern. Begabten Schülern wird vom Staat die Universitätsbildung versagt – sie sollen lieber Bauern werden, denn wir müssen essen. Nur nicht mehr hoch hinaus. Nur keine kostspieligen Innovationen mehr. Vielleicht können wir uns das später wieder einmal leisten. Irgendwann. Wenn ich daran denke, wie manche Probleme unserer Gesellschaft mit kurzsichtigen Entscheidungen und Einsparungen aufgehalten werden sollen, dann ist dieses Szenario gar nicht so weit hergeholt.

Meine Bewertung auf IMDB: 9 Punkte
Technisch perfekt, aber nicht überfrachtet, und mit einer Handlung, die ausgefeilt, durchgehend spannend und auch auf der menschlichen Ebene glaubwürdig ist.

Mein jüngstes Filmerlebnis handelt von einem feinen Pinkel. Doch wenn er Schurken das Handwerk legt, trägt er Maske und Cape. Er springt hoch (über Pferde drüber!) und weit – und er klettert sogar Fassaden hinauf.
Batman? Nein. Es ist Zorro! Douglas Fairbanks (nicht Antonio Banderas) spielt den tollen Draufgänger – in einem fast 100 Jahre alten Film aus 1920.

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Szenenfoto aus „The Mark of Zorro“ (zur Verfügung gestellt: Internationale Stiftung Mozarteum)

Wie in der Kindheit
Ein Stummfilm? Ja. In meiner Kindheit gabs die sogar noch regelmäßig im Fernsehen. Stan Laurel und Oliver Hardy (alias Dick und Doof), Charly Chaplin und Buster Keaton – ich kannte sie alle. Meist liefen ihre Filme im Vorabendprogramm (auf ZDF in der Sendung „Väter der Klamotte“). Sie waren allerdings rein auf die Slapstick-Szenen zusammengeschnitten – verstümmelt muss man sagen. Egal: Ich saß mit Mama, Papa, Schwester und manchmal auch Oma vorm Schwarzweiß-Fernseher und wir alle hatten einen Riesen-Spaß.

Doch irgendwann verschwanden die Stummfilme. Na klar. Alle hatten inzwischen Farb-Stereofernseher. Wer würde sich da Schwarzweiß mit knisterndem Klaviergeklimper anschauen?

Tatsächlich konnte ich mich viele, viele Jahre nicht zu einem Stummfilm hinreißen lassen. Und es gab nicht wirklich viele Gelegenheiten dazu. Bis ich dieses Jahr im Mai eingeladen wurde, im Mozarteum einen Stummfilm zu sehen. „The General“ ein toller Film mit dem wirklich großartigen Schauspieler Buster Keaton. Es gab und gibt nur wenige, die Tragik und Komik so verbinden und außerdem noch Autor, Regisseur und sonst auch noch alles sind.

Kino zum Faschingsbeginn. Wer maskiert war, hat gratis Popcorn bekommen (Foto: Walter Oberascher)

Kino zum Faschingsbeginn. Wer maskiert war, hat gratis Popcorn bekommen
(Foto: Walter Oberascher)

Richtige Stimmung im Saal
Ich war erstaunt, wie viel Spaß man im Kino haben kann. Zum ersten Mal erlebte ich in einem Kino eine Stimmung, wie sie sonst höchstens mal bei einer Nachtvorstellung von „The Rocky Horror Picture Show“ vorkommt. Alle lachten und fieberten gleichzeitig mit dem Helden der Story mit. Und besonders gelungene Stunts oder Slapstick-Szenen wurden mit tosendem Zwischenapplaus belohnt.

Nicht nur, dass es ein tolles Gefühl eines gemeinsamen Filmerlebnisses mit anderen Leuten war, es wurde mir bei dem vielen Gelächter auch bewusst, wie wenig das Publikum bei heutigen Komödien lacht. Nicht halb so viel wie bei diesem ewig alten Film mit einfacher Technik und ohne Ton. Und es gibt in modernen Kino-Komödien tatsächlich bei weitem weniger zu lachen. Haben Drehbuchautoren und Regisseure heute ein weniger gutes Gespür für Humor? Oder liegt daran, dass der Humor in den Stummfilmen einfacher, dafür aber zeitlos ist?

Auch Zorro, ein echtes Superhelden-Actionspektakel, hat sein Publikum mitgerissen. Es wurde viel anerkennend geraunt – und auch gelacht. Natürlich mitunter auch, weil so manches ein bisschen unfreiwillig komisch wirkt. Aber ist das nicht egal? Das Wichtigste ist, dass ein ganzer Saal sich wirklich gut unterhalten hat. Alle haben gut gelaunt mit einem Lächeln den Saal verlassen und sich noch begeistert über den Film unterhalten. Das ist Kino, das seine Aufgabe voll erfüllt.

 

Das Chinese Theater in Hollywood –  schon das Kino selbst sollte eine exotische Welt sein

Das Chinese Theater in Hollywood –
schon das Kino selbst sollte eine exotische Welt sein

Das Erlebnis beginnt mit dem Ort
Ich war vor kurzem in Kalifornien und habe als Filmfan freilich auch Hollywood besucht. Unter anderem machte ich eine Tour durch das Chinese Theater. Dieses Lichtspiel-Theater wurde aufwändig ausgestattet und sollte dem Publikum schon alleine durch das Gefühl, eine andere Welt zu betreten, ein besonderes Erlebnis bieten. Das Mozarteum kann man hier schon etwas vergleichen. Alleine einen Film im wunderschönen großen Saal des Mozarteums zu sehen, ist etwas Besonderes. Und vielleicht ist es für Leute, die keine Klassik-Fans sind, ja eine Gelegenheit, überhaupt zum ersten Mal einen Konzertsaal zu besuchen.

Nur ein Kircheninstrument?
Normalerweise ist die große Orgel vorne im Saal der Blickfang. An den Filmabenden ist sie zwar durch die Leinwand verdeckt, dafür steht sie akustisch im Mittelpunkt. Sowohl „The General“ als auch „The Mark of Zorro“ wurden von dem Amerikaner Dennis James begleitet. Er ist ein wirklicher Experte der Stummfilmbegleitung und mit seiner Kunst hat er einen großen Beitrag zum Revival des Stummfilms insgesamt geleistet, entnehme ich dem Programmheft. Vor der Vorstellung gibt er eine kleine Einführung zur Handlung des Films und zu den Hauptdarstellern. Man merkt ihm den Stolz und die Begeisterung an. Nur wenige Leute sind echte Liebhaber der Orgel als Instrument – ich bin es auch nicht vorbehaltlos. Wenn jedoch Dennis James loslegt, merkt man erst, wie vielseitig die Klänge der Orgel sind und wie gut dieses Instrument Gefühle und Stimmungen ausdrückt. Fast zwei Stunden lang ohne Pause spielte der Meister-Organist und machte damit den Filmgenuss erst komplett.

Ich möchte allen empfehlen, sich einmal diese Art des völlig analogen und zugegeben altmodischen Filmerlebnisses zu gönnen. Und ich verspreche: Es macht Lust auf mehr.

Am 28. April 2015 zeigt das Mozarteum wieder einen Stummfilm: „The Lost World“ aus 1925 – sozusagen ein Vorläufer von „Jurassic Park“. Neugierig? Ich hoffe es.

Karten fürs Mozarteum gibt es hier.

Vor ein paar Wochen war ich in Amerika auf Urlaub. Dort war schon Ende September alles ganz auf Halloween ausgerichtet: Dekorationen überall und es gab auch ziemlich arge Haunted House-Touren – ich hab mich heiser geschrien. Bei uns fasst dieser Feiertag am 31. Oktober nicht wirklich gut Fuß. Die Anzahl der Kinder, die verkleidet herumlaufen und unter Androhung eines Streichs Süßigkeiten einfordern, ist überschaubar. Nichts für Ungut, liebe Kinder, aber euer Mummenschanz macht für uns Erwachsene noch keinen tollen, gruseligen Tag aus.

Irgendwie kann man den Tag aber trotzdem begehen. Wer keine Lust auf Halloween-Partys hat und findet, dass Süßigkeiten sowieso nur dick machen, kann ja einen lustigen Abend mit Horrorfilmen organisieren – am besten im Freundeskreis.

Hier 7 Tipps von mir, ohne Reihung.
Wichtig: Ich bin ja selbst ein bisschen feige und muss bei grausigen Metzel-Szenen wegschauen. Darum sind alle Filme so gewählt, dass auch sensiblere Gemüter am Gruselgefühl Spaß haben können.

1. Poltergeist
Perfektes Familien-Glück in der Vorstadt-Siedlung. Doch dann verkündet die kleine Carol Anne: „Sie sind hie-ier.“ Gegenstände fliegen durchs Haus, Spielzeug-Clowns würgen Kinder, Geister-Erscheinungen streifen umher – und schließlich verschwindet das kleine Mädchen im Fernseher. Ein kleinwüchsiges Medium rückt den Poltergeistern entschlossen an die ektoplasmische Pelle und holt die kleine Carol Anne wieder aus ihren Fängen. Nach 32 Jahren noch immer gut – und alle warten auf das berühmte Zitat: Geeeh nicht ins Liiicht, Carol Anne!

2. The Cabin in the Woods
In diesem Film wird eine Gruppe junger Leute niedergemetzelt. Und wie so oft sind sie ja selber Schuld, haben sie doch das Böse selbst, wenngleich ahnungslos heraufbeschworen. Aber es steckt noch mehr dahinter: Was führen die Leute in den weißen Kitteln im Schilde, die das Ganze von ihrem sterilen Labor aus verfolgen und mitunter sogar steuern? Für mich ist der Film „die Mutter aller Horrorfilme“. Voll Meta und eine unheimliche Gaudi.

3. Bram Stoker’s Dracula
Dieser Film ist einerseits nah an der Romanvorlage, wandelt die Geschichte, die hauptsächlich im London Ende 19. Jahrhunderts spielt, jedoch in eine morbid-romantische Love Story um. „Bram Stoker’s Dracula“ zeigt der „Twilight“ Saga, wie so etwas richtig geht. Mina ist fasziniert und zugleich abgestoßen von dem rätselhaften rumänischen Prinzen Vlad. Dieser zeigt sich mal als schrulliger Greis, mal als cooler Fin-de-Siècle-Dandy. Mit opulenten Ausstattungen, großartigen Kostümen und echten Special Effects, die nicht ausschließlich aus dem Computer stammen, bringt er großes Kino und wohligen Grusel ins Wohnzimmer.

4. Communty Staffel 3, Episode 5
Community ist eine meiner liebsten Comedy-Serien. Hierzulande ist sie nicht sehr bekannt und wurde nicht monatelang gepusht, bis die Leute sie endlich mit mehr Begeisterung ansahen (wie z.B. Two and a Half Men). Schade. Dabei bietet die Serie zahlreiche Highlights. Zur Höchstform läuft das Ensemble in so genannten „Bottle Episodes“ auf. Das heißt, dass die Hauptfiguren die ganze Folge lang zusammen in einem Raum sind und dort ein echtes Kabinettstück abliefern. Normalerweise sind die Halloween-Episoden von Comedy-Serien eine lahme Angelegenheit, aber mit dieser „Bottle Episode“ erlebt man den besten witzigen Grusel, den man sich wünschen kann.

Für die Serie gibts nur den ganz allgemeinen Trailer für die erste Staffel:

5. Sleepy Hollow
Constable Ichabond Crane, wird aus der Stadt in das Dorf Sleepy Hollow geschickt, um rätselhafte Morde aufzuklären. Der aufgeklärte und für 1799 nach dem modernsten Stand der Technik und Wissenschaft ausgerüstete Ermittler mag den Geschichten um einen kopflosen Reiter, der allnächtlich aus seinem Grab aufsteigt, keinen Glauben schenken. Doch schon bald gefriert auch ihm das Blut in den Adern. Phantasievoll und mit wunderbar unheimlicher Stimmung zeigt der Film Johnny Depp in einer seiner besten Rollen. Kann er den Kopflosen zur Strecke zu bringen und gleichzeitig das Herz Christina Riccis gewinnen?

6. American Horror Story
Für Binge-Watcher, also Leute, die sich gerne ganze Staffeln einer Serie an einem Tag reinziehen, stehen American Horror Story 1–3 bereit. Jede Staffel ist eine abgeschlossene Geschichte, so kann man nach Geschmack aussuchen, ob man sich lieber durch ein Horrorhaus, eine unheimliche psychiatrische Anstalt oder einen Hexenzirkel in Schrecken versetzen lassen möchte. Staffel 4 „Freak Show“ läuft gerade und ist die bisher beste Geschichte der Serie. Sie hat mit „Twisty“ den furchterregendsten Clown seit Pennywise in „Es“ – ich kann nie mehr wieder in der Zirkus gehen. Aber: Bis 31. Oktober ist erst die vierte Folge der aktuellen Staffel gelaufen. Ihr könnt euch ja dann wöchentlich wieder mit euren Freunden treffen und gemeinsam weiterschauen. Ansonsten empfehle ich „Freaks“ aus dem Jahr 1932, ein früher Horrorfilm, der die Serie eindeutig inspiriert hat.

7. Penny Dreadful
Noch eine Fernsehserie – quasi als Gegenstück zu American Horror Story, denn die Geschichte spielt im viktorianischen England und führt alle möglichen Figuren des britischen Gothic Horror zusamen: von Dr. Frankenstein samt seiner Kreatur über Dorian Gray, Dr. Van Helsing, Mina Harker (von Dracula gefangen gehalten) und einem Werwolf bis hin zu Jack the Ripper. Geschickt werden die Geschichten der verschiedenen Figuren zu einem unheimlichen Geflecht verknüpft. Es ist schwer, sich der Story und düsteren Bildästhetik zu entziehen.

Habt Ihr selbst auch Horror-Tipps für Halloween? Dann schreibt uns einen Kommentar.

Viel Spaß – und Happy Halloween!

Foto: Jack-o‘-Lantern 2003-10-31 (CC BY-SA 2.5)

Inhalt

Nick Dunne [Ben Affleck] geht an seinem fünften Hochzeitstag in die Bar und kotzt sich dort über seine Frau, Amy [Rosamund Pike], aus. Dabei hatte für die beiden alles wie im Märchen begonnen: kennenlernen, sich verlieben, heiraten – alles war perfekt. Bis Nick seinen Job verlor und Amy ihren Eltern fast ihr gesamtes (beträchtliches) Vermögen lieh. Geldsorgen holten die beiden bald aus ihrer Märchenwelt. Sie zogen von der teuren Stadt aufs billigere Land und wurden genau so ein Ehepaar, wie sie es nie werden wollten. Als Nick aus der Bar nach Hause zurückkehrt, um widerwillig den Hochzeitstag zu begehen, kommt der Schock: Amy ist verschwunden. Wahrscheinlich entführt. Von einem Kampf zeugt nur der umgeworfene, zerbrochene Glastisch im Wohnzimmer.

Die Medien stürzen sich auf die Story. Das ganze Land bekundet dem bestürzten Ehemann seine Unterstützung und hilft auf der Suche nach seiner Frau. Bis nach und nach Details über Nick bekannt werden. Die Unterstützung der Presse und Öffentlichkeit schlägt bald in Misstrauen um und Nick sieht sich im landesweiten Fernsehen mit der Frage konfrontiert: Haben Sie Ihre Frau umgebracht, Nick?

Ben Affleck auf der San Diego Comic-Con (Foto: Gage Skidmore, CC BY-SA 2.0)

Ben Affleck
auf der San Diego Comic-Con
(Foto: Gage Skidmore, CC BY-SA 2.0)

Achtung Spoiler!
Über „Gone Girl“ lässt sich kaum etwas schreiben, ohne die Handlung und einige der Wendungen zu verraten. Darum: Wer den Film noch sehen möchte: Bitte nicht weiterlesen! Alle anderen: Lest mal und gebt in den Kommentaren eure Meinung zum Film ab.

Der Film ist höchst erfolgreich: An den Kinokassen und beim Publikum (Durchschnittsbewertung auf IMDB: 8,5 von 10 Punkten). Und es wird viel darüber diskutiert. Dabei ist es sehr erstaunlich, dass einer der Diskussionspunkte Ben Afflecks Penis ist. Jawohl. Das gibt Stoff für die Klatschspalten und auch seine Ehefrau Jennifer Garner wurde (ausgerechnet) von Ellen DeGeneres dazu befragt. Man brauche dafür eine Weitwinkel-Linse, meint sie. Jetzt wissen wir das auch. Glückliche Frau Garner.
Das gute Stück hab ich übersehen. Ich muss wohl für eine Millisekunde geblinzelt haben. Aber ich habe mir die ganze Zeit über ohnehin eine ganz andere Frage gestellt: Wie wird Ben Affleck wohl demnächst ins Batman-Kostüm passen? Unter den losen Hemden zeichnete sich eindeutig der Wohlstand ab. Aber darüber redet niemand.

Ein feministischer Film?
Ein bisschen Klatsch ist ganz lustig, aber der Film als solches wird sehr kontrovers diskutiert: Ist „Gone Girl“ zutiefst frauenfeindlich – oder ist der Film feministisch? Diskreditiert der Film Frauen, die Opfer männlicher Gewalt werden – oder zeigt er eine Frau, die sich aus eigener Kraft aus einer Situation, einer Ehe, befreit und ihre Unabhängigkeit sucht? Eines ist für mich gleich mal klar: Feministisch ist „Gone Girl“ sicher nicht, denn Amy ist wahrlich kein Vorbild an Frauenpower.

Vielleicht doch frauenfeindlich?
Auch dass der Film frauenfeindlich ist, stimmt für mich nicht. Zuerst einmal ist die Handlung allzu absurd dafür. Die unglückliche Ehefrau (der Ehemann betrügt sie und will sie verlassen) bereitet monatelang ihre Flucht aus ihrer Ehe vor. Und zwar so, dass sie es absichtlich wie eine schlecht inszenierte Entführung aussehen lässt. Sie befreundet sich mit der leicht zu manipulierenden Nachbarin (der „Idiotin von nebenan“, wie sie es formuliert), hält in einem Pseudo-Tagebuch Ereignisse fest, die nie stattgefunden haben (z.B. schreibt sie, dass ihr Ehemann sie geschlagen hat und sie um ihr Leben fürchtet), und sie legt Spuren – eine richtige Schnitzeljagd für die Polizei. Der untreue Ehemann soll ins Gefängnis. Oder noch besser zum Tode verurteilt werden. Das scheint ihr völlig gerecht. Dabei hat sie sich von Anfang an nur verstellt, um diesem Mann zu gefallen. Geliebt hat sie ihn nie. Es stellt sich auch heraus, dass sie bereits zuvor einen Mann mit falschen Vergewaltigungs-Anschuldigungen ins Gefängnis gebracht hat.

Ganz ehrlich finde ich, es handelt sich einfach um einen Thriller: Ein Krimi mit vielen Wendungen, der einen an der Nase herumführt und in dem nichts ist, wie es zunächst scheint. Niemand wird durch diesen Film Vergewaltigungsopfern unterstellen, die Anschuldigungen seien sicher falsch, weil es ja im Film „Gone Girl“ auch so war.

Alle Menschen san ma zwieda
Es ist nicht so, als würden nur Frauen schlecht wegkommen. Eigentlich mag der Film, nach der Romanvorlage der Autorin Gillian Flynn, keine seiner Figuren: nicht Amy; nicht ihren Ehemann; nicht Amys Eltern, deren Erwartungen sie nie gerecht werden konnte; und nicht den Ex-Freund Desi aus der Highschool. Der Film müsste also gleichzeitig als männerfeindlich gelten. (Das würde dann auch auf so ziemlich jeden Krimi und jeden Actionfilm zutreffen.)

Doch auch für Amy, deren Sicht Regisseur David Fincher ab ca. der Hälfte des Films zeigt, wendet sich das Blatt. Die taffe Manipulatorin wird nämlich auf der Flucht selbst hereingelegt und um ihr ganzes Geld gebracht. Hilfe suchend begibt Amy sich daraufhin in die Arme ihres Ex-Freundes Desi [Neil Patrick Harris], obwohl sie weiß, dass Desi auf ganz ungesunde Weise von ihr besessen ist. Aber er hat die Mittel, sie zu verstecken und nach einiger Zeit außer Landes zu bringen. Desi verwöhnt Amy, doch sie ist in seinem Haus eine Gefangene. Amy sieht im Fernsehen ein Interview mit ihrem Ehemann, Nick, und ist von seinen Worten berührt – so sehr, dass sie ihn nicht mehr in der Todeszelle sehen, sondern zu ihm zurückkehren will. Sie ahnt nicht, dass ihr Ehemann sie seinerseits geschickt manipuliert hat.

Wenn man schon davon ausgehen möchte, dass eine Geschichte über eine sozio- und psychopathische Figur die Sicht der Gesellschaft auf Frauen beeinflusst, dann ist „Gone Girl“ ab diesem Abschnitt in der Handlung höchstens dessen schuldig, für Amy letztlich Klischees zu bemühen: wankelmütig, zu leicht von Emotionen gesteuert und des Geldes wegen eine ungesunde Beziehung eingehend.

Böse genug?
Zumindest das Ende des Films möchte ich hier nicht verraten. Ich sage nur: Arme Männer. Böse, böse Amy. Auch wenn Rosamund Pike uns als Amy nicht wirklich das Fürchten lehrt. Ihre Performance hat nicht die Intensität wie zum Beispiel die einer Glenn Close in „Eine verhängnisvolle Affäre“.

Meine Bewertung auf IMDB: 8 von 10 Punkten
„Gone Girl“ bietet eine aberwitzige Story mit einigen überraschenden Wendungen. Das mäßige Tempo des Films passt gut zur Geschichte. Stück für Stück wird demontiert, was man zu wissen glaubt, und die Story neu zusammengesetzt. Nur: Anstatt eines furiosen Showdowns gibt es einen etwas zu langatmig geratenen Epilog. Schade.