Wenn einer eine Reise tut – Teil 2: Entspannung in Marseille?
In Teil 1 berichtete ich ja von der Planung der Reise und meinem Bammel vorm Fliegen. Angst vorm Fliegen als solches habe ich ja nicht, aber ich war ja jungfräulich, was das Reisen mit dem Rollstuhl betrifft. Jetzt habe ich Erfahrung damit und werde öfter Mal Angebote für Städtereisen nutzen.
Nach dem ganzen Trara des Anreisetages schliefen alle sehr gut und wir vereinbarten, den Sonntag in Ruhe zu starten. In Frankreich kommt man nicht umhin, beim Frühstück das wunderbare Weißbrot und die Croissants zu genießen. Die mahnenden Worte des Diätologen bezüglich erhöhter Blutzuckerwerte verhallten durch das genüssliche Schmatzen meiner Mitreisenden.
Danach ging es raus ins pulsierende Leben. Unser Hotel war direkt am Hafen situiert. Vorm Hotel gab es Absperrungen, unser Portier erzählte uns, dass es heute im Hafen eine Wahlkampfveranstaltung eines Politikers zur Präsidentenwahl gibt. Natürlich gab es dadurch auch viele, viele schmucke Sicherheitspolizisten in Uniform und Schutzwesten. Wir sahen uns den Hafen an, gingen und rollten an der Hafenmauer entlang, an der wunderschöne Segel-und Motoryachten festgezurrt waren. Wie von einem Magneten angezogen, steuerten wir auf das luxuriöse Sofitel Hotel zu, das uns erhöht liegend, Schatten, Ausblick und Campari bot. Ausgeruht ging es wieder weiter und irgendwann wieder zurück zum Hafen. Schön langsam füllte sich der große Platz, gegen 14 Uhr war der Präsidentschaftskandidat avisiert. Ich lies mich an die Ecke einer Brasserie deponieren, damit die anderen sich durch die Menge zu einer Eisdiele kämpfen konnten. Mann, was war dieses Eis gut! Ab sofort war dieses unser Maßstab, wir gönnten uns täglich Eis bei den Ausflügen. Auch hier konnte ich den Diätberater nicht mehr hören, es zog immer ein angenehmes Lüfterl vom Meer ans Ohr.
Die Wahlveranstaltung war schön zu beobachten, alle hatten gute Stimmung. Während ich auf mein Eis wartete, sprach mich auf einmal eine ältere Dame an. Nicht weil ich auch im Rollstuhl eine tolle Figur mache (Pfiffel), sondern weil sie den Aufdruck auf meinem T-Shirt lesen konnte. Ich hatte mein neues Caritas Shirt an mit dem Titel “Mein Hahn kräht in Äthiopien“. Sie fragte mich, ob ich denn Deutsch spreche. Ich antwortete: „Ich spreche nur Deutsch!“ Sie erzählte, dass sie auch aus Deutschland kommt, viele Jahre selbst in Äthiopien war, Entwicklungshilfe betrieb und jetzt in Marseille lebt. Da fiel ihr natürlich ein T-Shirt in deutscher Schrift und Äthiopien auf. Als Entwicklungshelferin wollte sie auch wissen, was es mit dem Aufdruck auf sich hat. Ich erzählte ihr, dass damit Menschen in Äthiopien unterstützt werden, um sich zum Beispiel Hühner kaufen zu können. Sie war begeistert und ich gab ihr noch den Tipp auf die Seite der Caritas zu schauen. Sie wollte nämlich die Aktion auch unterstützen.
Am Abend gönnten wir uns dann ein leckeres Essen in der Brasserie direkt am Hafen.
Für den anderen Tag verabredeten wir, dass wir gemütlich nach Aix-En-Provence fahren – wegen dem Lavendel. Außerdem wollten wir in die Camarque wegen der berühmten wilden Pferde. Für Lavendel war es zu früh, die Pferderl aber sahen wir aus unserem französischen Automobil heraus. Sehr schön, auch die Landschaft. Was ich nicht wusste, dass die Gegend auch für wilde Stiere bekannt ist. Und Flamingos. All das sahen wir und können nur die Empfehlung zum Besuch abgeben.
Auch in der Camarque genossen wir die Strandpromenade des kleinen Ortes Saintes Maries de la Mer und die gute Seeluft. Ins Meer wurde ein langer Kai aufgeschüttet, ideal um schöne Fotos zu machen. Nicht für mich, es handelte sich um einen holprigen Wall. Also, ich wurde wieder am Anfang der Anlage drapiert und genoss da in Ruhe Sonne und Luft. [Was die anderen so alles ohne mich sahen, lest ihr in diesem Bericht über Saintes Maries de la Mer von Solongsuckers.us] Nach genügend Luftschnappen und Bilder schießen, wollten wir zurück zur Promenade. Dort stand gut sichtbar ein Eistandler mit großer Truhe. Wie gesagt, wir mutierten zu Eistestern. Danach tingelten wir durch das schöne Dorf. Auf dem Platz vor der Kirche gönnten wir uns als Jause leckere Sandwiches.
Am Nachmittag fuhren wir nach Arles. Dank meines Prominentenausweises (Behindertenparkkarte) konnten wir direkt vorm antiken Amphitheater parken. Den Eintritt wollten wir uns hier sparen, man sah von außen schön in die Anlage. Weiter ging es eine steile Gasse bergab. In Frankreich gibt es viele Wasserrinnen in den Gassen und just an solch einer zerbröselte nun mein rechtes Vorderrad aus Vollgummi. Halleluja! Das Gefährt ist quasi neu und soooo schwer bin ich auch wieder nicht …
Wir schafften es noch ins nahe gelegene Amphitheater, dieses besahen wir uns von innen. Danach pausierten wir an einem Brunnen auf einem schönen Platz und riefen beim Hersteller des Rollstuhls in Österreich und in Frankreich, meinem Rollstuhlreparateur in Salzburg und bei der Gebietskrankenkasse an. Nichts fruchtete. Somit beschlossen wir, es am nächsten Tag auf eigene Faust und mit Hilfe unseres Portiers selbst zu regeln und zu reparieren.
Dies ist aber zu viel für hier und Stoff für ein weiteres Kapitel! Was wir am folgenden Tag auf der Tour de Pharmacie so alles erlebten? Dran bleiben!