Vereinbarkeit von Familie & Arbeit

Gesellschaftliche, wirtschaftliche und persönliche Ansprüche im Konflikt.

Ein Beitrag zum Thema Leben & Arbeiten. In Balance. | Ein Gastbeitrag von ao Univ-Prof. Dr. Katharina J. Auer-Srnka

Wäre die aktuelle Debatte um die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit von Frauen ein Schulaufsatz, müsste man sie in weiten Teilen wohl schlichtweg als Themenverfehlung werten. In der Diskussion werden verschiedene Betrachtungsebenen und Ansprüche miteinander vermischt bzw. – ganz selbstverständlich oder nur irrtümlich – gleichgesetzt. Die meisten Überlegungen, die zu dem Thema in der öffentlichen Auseinandersetzung geäußert werden, sind partikularistisch und einseitig. Es fehlt ein systematischer Zugang im Hinblick auf die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse auf gesellschaftlicher versus individueller Ebene.

So ist die politische Diskussion implizit von einem Primat der Wirtschaft geprägt; im Mittelpunkt stehen die höchstmögliche Produktivität gut ausgebildeten Humankapitals, eine schnelle Rückkehr von Müttern in den Arbeitsmarkt sowie die angestrebte Vollzeitbeschäftigung von Müttern und Vätern. Das In-Einklang-Bringen von Familie und Beruf wird dabei zumeist stark verkürzt als „Vereinbarkeit familiärer Betreuungsaufgaben und Erwerbstätigkeit“[1] verstanden. Demgegenüber gilt es für Eltern, die finanzielle Erfordernissen zum Erhalt des Lebensstandards bei gleichzeitig hohen zusätzlichen Ausgaben mit einer Vielzahl anderer Anforderungen zu vereinbaren; „Betreuungsaufgaben“ (darunter wird typischerweise vornehmlich die Beaufsichtigung von Kindern verstanden) stellen dabei nur einen, wenn auch durchaus wesentlichen, Teil des Aufgabenspektrums dar.

Zunächst sind da die emotionalen Bedürfnisse; jene der Kinder nach Zuwendung & Aufmerksamkeit wie auch jene der Mütter und Väter selbst nach Anteil an der Entwicklung und Prägung ihrer Kinder. Dann ist da der enorme Aufwand an Zeit und Energie für die Pflege, Beaufsichtigung und Erziehung der Kinder. Dazu zählen durchwachte Nächte, Kinderarzttermine, Spielegruppen, Hausaufgabenkontrolle und Vokabel-üben, Fahrzeiten zu Klavierstunden oder Fußballtraining ebenso wie gemeinsame, bekömmliche Mahlzeiten (die es auch vorzubereiten gilt) sowie Zeit für gemeinsame Erlebnisse, Berührung und Gespräche. Ferner gilt es für Mütter wie auch Väter, die eigene körperliche und mentale Verfassung möglichst gesund zu erhalten durch ausreichend Schlaf und Regenerationsphasen, Sport und sozialen Austausch. Nicht zuletzt brauchen Eltern die Möglichkeit ihre Fähigkeiten & Neigungen – über Kindererziehung, Familienmanagement & Haushalt hinaus –  zu leben.

Ließen sich all diese Anforderungen innerhalb von 24 Stunden, an 7 Tagen pro Woche & 365 Tagen im Jahr erfüllen und mit einem 40-60 Stunden Job beider Elternteile vereinbaren, so wären – neben den arbeitsmarktbezogenen Zielen – auch bislang weniger diskutierte gesellschaftliche Ziele deutlich besser erreicht als dies aktuell der Fall ist: Emotional stabile, bindungsfähige Kinder, die Freude am Lernen haben & zu sozial kompetenten, offenen Menschen heranwachsen, die in der Lage sind, ihr Leben innerhalb eines gesunden Spektrums abseits von Depression oder Burn-out zu bewältigen und deutlich seltener Neigungen zu Gewalt oder Suchtverhalten zeigen. Aktuell ist dies eine Utopie. Um realistische, effektive Lösungen für die faktisch bestehenden Interessenskonflikte und daraus resultierenden Folgeprobleme zu erarbeiten, bedarf es eines Verständnisses der Gesamtzusammen­hänge durch systematische Betrachtung der verschiedenen Ansprüche, Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten auf gesamtgesellschaftlicher Ebene einerseits und auf Ebene der Familie (jeweils aus Sicht von Müttern, Vätern und Kindern) andererseits. Wissenschaftliche Erkenntnisse dazu liegen vor!

Was sagen Sie dazu? Wir freuen uns darauf, Ihre Meinung zu lesen!

  1. Univ-Prof. Dr. Katharina Auer-Srnka beschäftigt sich wissenschaftlich mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und bietet mit dem Unternehmen Parentstoday ein breites Spektrum an Beratung & Begleitung rund um das Thema an.

Zum Nach- und Weiterlesen

[1] http://www.familieundberuf.at/