The Great Wall – kommerzielle Mauern durchbrechen

Die Chinesische Mauer ist eines jener Bauwerke, dessen Anblick die Phantasie beflügelt. Entsprechend gibt es viele Legenden: zum Beispiel, dass die Tränen der Ehefrau eines beim Bau verstorbenes Arbeiters einen ganzen Mauerabschnitt zum Einsturz brachten, oder dass man die Mauer sogar vom All aus sehen kann. Der Film The Great Wall erzählt ebenfalls eine Legende – eine, die für den Film erdacht wurde. Und sie beflügelt damit die Träume der Filmindustrie in den USA und in China.

Worum gehts?

William [Matt Damon] und Tovar [Pedro Pascal] sind auf dem Weg nach China, weil sie von einer neuen Waffe gehört haben: Schwarzpulver. Sie wollen es nach Europa schaffen und dadurch reich werden. Auf der Flucht vor berittenen Angreifern erreichen sie die große Mauer und sehen sich dort einer Armee von Zigtausenden Männern und Frauen gegenüber. Eben noch Gefangene, stehen sie bald Seite an Seite mit dieser Armee – im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind.

Ein gutes Geschäft

The Great Wall wird sicher ein Film von einiger Bedeutung. Und zwar weniger wegen seiner Handlung, sondern weil er eine ausgewogene Kooperation zwischen amerikanischer und chinesischer Film-Industrie ist. Regie hat Zhang Yimou geführt und neben Matt Damon und Pedro Pascal belegen zahlreiche chinesische Stars Hauptrollen und wichtige Nebenrollen – allen voran die Schauspielerin Jing Tian als Generalin Lin Mei.

Diese Zusammenarbeit hilft der amerikanischen genauso wie der chinesischen Filmindustrie. China ist ein wachsender Kinomarkt und wohl den amerikanischen Markt bald überflügeln. Derartige Kooperationen helfen insofern beiden Ländern, indem noch mehr Menschen in China sich Filme mit amerikanischen Stars ansehen werden, wenn sie diese aus den Filmen ihrer einheimischen Stars kennen. Andererseits sind chinesische Schauspielerinnen und Schauspieler zwar oft gefeierte Stars in ihrer Heimat, aber ihr Ruhm dringt kaum bis in die USA oder Europa vor – ebensowenig wie der Ruhm der chinesischen Filme, in denen sie mitwirken.

Ein Film von Bedeutung?

Visuell hat The Great Wall einiges anzubieten: riesige Armeen mit wunderbar detailreichen Rüstungen, leuchtende Farben, aufregende Kamerafahrten und Blickwinkel sowie pompöse Ausstattungen. Darüber hinaus wird der Eindruck, den der Film hinterlässt, wohl bescheidener ausfallen. Man kann die Story zwar im Kinositz einfach als spannendes Abenteuer konsumieren, aber tiefer als schöne Bilder und rasante Action geht es nicht. Es gibt keine einzige greifbare Figur, mit der man auch mitfiebert.

Wären die Hauptfiguren nicht so völlig ohne Tiefe, wäre es auch verzeihlich, dass die Handlung einfach so viele Klischees verwertet, dass der Verlauf der Story bereits nach den ersten 20 Minuten völlig vorhersehbar ist und lediglich wie eine Pflichtübung absolviert wird.

The Great Wall wäre eine großartige Gelegenheit gewesen, einem westlichen Publikum chinesische Talente zu präsentieren und damit für chinesische Filme zu begeistern. Ich persönlich bin weniger beeindruckt. Ausschlaggebend wird aber sein, wie der Film in den USA aufgenommen wird. In China hat er bereits die Produktionskosten eingespielt und darf somit als Erfolg gewertet werden. Wie groß dieser Erfolg ist, wird sich im Februar herausstellen. Dann erscheint The Great Wall nämlich erst in den USA.

Meine Bewertung bei IMDB: 6 Punkte
Die Handlung ist austausch- und vorhersehbar und bietet keine Identifikationsfiguren. Kostüme, Sets und Kamera sind großartig. Die computergenerierten Bilder wirken leider sehr oft auffällig unecht – vielleicht kann man das aber bei einem Märchen wie diesem verzeihen. Und wer Whitewashing befürchtet hat, wird zufrieden feststellen, dass in dieser US-chinesischen Kooperation auch die Heldenrollen 50:50 vergeben wurden.

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