Die haben einen Knacks
Gestern hab ich ein Gespräch mitbekommen vom Nebentisch im Cafe. Unfreiwillig natürlich. Ihr kennt das sicher auch. Man hat keine Chance wegzuhören.
Zuerst waren es nur Gesprächsfetzen, dann hat der eine ganz laut gesagt: „Die haben ja einen Knacks. Die sind ja sozial nicht kompetent in der Stadt.“ Er meinte Menschen, die in der Stadt wohnen. Und er sei ja froh, dass er auf dem Land wohne. Da sei die Welt noch in Ordnung.
Und es ging gleich weiter mit irgendwelchen SUV-Modellen. Da habe ich dann abschalten können, weil mich Autos nicht interessieren und mein Blutdruck wegen der Aussage vorher leicht gestiegen war.
Aha. Ich habe also einen Knacks und mit mir Millionen andere auch.
Und ich bin sozial nicht kompetent. Obwohl ich nicht im Einfamilienhäuschen mit Zaun rundherum wohne, sondern mit Nachbarn oben, unten, links und rechts. Da ist man sozial kompatibel, weil man tolerant wird und die anderen auch. Sonst tät es nicht funktionieren, das Zusammenleben. Ich gebe zu, dass in der Stadt die Menschen sich in vielen Situationen fremd bleiben. Man grüßt auf der Straße nicht jeden Passanten, sondern nur Leute, die man kennt. Am Land wär das ein unfreundlicher Akt, wenn man nicht jeden grüßt. Obwohl das heute nicht mehr so oft notwendig ist, weil am Land viele Menschen sich nur mehr beim Vorbeifahren und nicht beim Vorbeigehen begegnen. Das fällt mir immer wieder auf, weil das ganz anders ist als damals als ich als Kind am Land aufgewachsen bin. Da hat sich das Leben draußen abgespielt, auch für uns Kinder. Bei meinem letzten Besuch dort, habe ich bei einem einstündigen Spaziergang niemanden außerhalb des Hauses oder Autos gesehen. Was mir in der Stadt nicht mal um 3 Uhr nachts passieren tät, weil irgendein Nachtschwärmer ist immer auf dem Weg irgendwohin.
Aber ich will nicht sudern, ich will einfach, dass jeder nach seiner Facon zufrieden leben kann, ohne dem anderen gleich einen Knacks zu unterstellen.