Meine Sehnsucht
Diese Tulpenknolle pflanzte ich am 25. November in die Erde unseres Gartens. Im Grunde zu spät, da dies bis zum Oktober geschehen sollte, damit im Frühjahr eine prächtige Blume erblühen kann. Aber mal sehen, was geschieht. Die Kraft der Natur hat mich schon öfters überrascht.
Diese Tulpenknolle bekam ich geschenkt von Sr. Ishpriya, einer englischen Ordensschwester, die lange Zeit in Indien lebte und jetzt in Österreich wohnt. Wir sprachen damals über die Schlagzeile des Tages: Dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Was hat das alles zu bedeuten? Warum nimmt das kein Ende? Warum können anscheinend nur Mauern und Bomben schützen? Was geschieht, wenn es einen Dominoeffekt der Gewalt gibt? Das ist doch völlig absurd. Faktum ist, dass hier politische Versuche der Einigung immer wieder scheitern und Religionen nicht zur Lösung beitragen, sondern durch die Besitzansprüche auf das „heilige Land“ die Konflikte verfestigen und somit verschärfen.
Der Konflikt steht für mich stellvertretend für die unzähligen Kriege, die weltweit geführt werden. Anja hat am 26. Februar darauf hingewiesen, dass es 2011 insgesamt 20 kriegerische Konflikte gegeben hat. Machen wir uns nichts vor. Wir sind Teil dieser Konflikte, sie beginnen in uns. Das heißt in mir selbst. Im Missverstehen, in der täglichen Gewalt und in der Gier des mehr haben Wollens. Das möchte ich KRIEGen. Aber worin gründet das Ganze? Ich vermute in der Angst. Der Mensch ist geplagt von zahllosen Ängsten. Diese verwurzeln im Abgrund der Nichtexistenz.
Ich werde sterben. Ich weiß zwar nicht wann, aber irgendwann sicher. Dieses Bewusstsein schafft mir unglaublichen Freiraum und nimmt mir meine Lebensängste. In der Erkenntnis, dass ich sterben werde, liegt meine – so paradox das klingen mag – Lebensfreude. Jede gelungene Grenzüberschreitung hin zum Anderen, zum Unbekannten und zum Fremden bereitet mir Freude. Aber auch im Aufweichen ideologischen Lagerdenkens, im Aufbrechen verkrusteter Traditionen und natürlich im Eingeständnis, dass ich auch falsch liegen kann, fühle ich mich heimisch.
Ich sehne mich danach, dass sie wächst. Diese einzigartige Blume möge sich im Jahr 2013 den Weg durch die Schichten von Hass, Gewalt und der Angst bahnen. Ich bin voller Hoffnung, da das Potential des Lebens in ihr und in uns Menschen angelegt ist.