Welcome to Libanon
Vorbereitet war ich auf diese Reise in den Libanon, mit altem Wissen, mit Internetrecherche und Filmen. Mit Bildern im Kopf. Aber dann ist es doch ganz anders als erwartet.
Die Fahrt vom Beiruter Flughafen ins Zentrum der Stadt erinnerte mich an vielen Stellen an Istanbul vor 20 Jahren. Hochhäuser, Bauruinen, viele Kräne, Müll an den Straßenrändern. Zwischen den hohen Häusern immer wieder notdürftig erbaute Hütten. Glitzernde Geschäfte, dann wieder Verschläge, wo jemand Autoreifen oder Gemüse verkauft. Armut, überzuckert mit Handywerbung.
Im Zentrum meinte unsere Gastgeberin, Marie Ghia, beginnen wir mit einem Kaffee in einem schönem Lokal: “ Die anderen Seiten des Libanon seht ihr die nächsten Tage noch oft genug.“
Beim anschließenden Rundgang durch das Zentrum folgt einem auf Schritt und Tritt die Geschichte. Die ganz alte mit römischen Ausgrabungen und die jüngste mit dem Grab des ermordeten Präsidenten Hariri und seinen Leibwächtern. Stefan Maier, Projektkoordinator der Caritas, erzählte von den Archiologen, die die Zerstörungen des Krieges nutzen, um das ganz alte Beirut sichtbar zu machen.
Die große Ausgrabung aus der Römerzeit befindet sich zwischen Moschee, Kirchen und dem Parlament. Sie gleicht einer ungesicherten Baustelle, ich habe das Gefühl, dass die gelagerten Platten, Steine und Werkzeuge jederzeit wieder einstürzen können.
Immer wieder lautes Glockengeläut. Bei mehr als zehn christlichen Konfessionen mit je eigenen Kirchen kein Wunder. Dazwischen ruft der Muezzin. Wir sehen fast keine anderen Menschen, für ein Stadtzentrum ist das gespenstisch. Beim Grab des Präsidenten Hariri neben dem zentralen Platz sind wir ganz alleine. Trotz des Militärs, deren Posten, die wichtigen Gebäude sichern, habe ich nie ein Gefühl der Unsicherheit. Das liegt sicher auch daran, dass einem ständig die dicksten Wägen von Porsche, Toyota, Mercedes und BMW unterkommen. Mit so einem teuren Auto sprengt sich wohl keiner in die Luft, geht es mir durch den Kopf. Aber nicht nur die Autos sind dick in Beirut, auch die Lippen der Frauen. Was dem libanesischen Mann sein Auto, ist der libanesischen Frau ihr Aussehen. Große Augen, schmale Nase, dicke sexy Oberlippe, perfekter Body. Auto wie Körper dürften nicht so billig zu bekommen sein. Für mich schauen alle SUVs und alle Lippen gleich aus.
Wir fahren weiter zu einer katholisch-orthodoxen Kirche hoch über Beirut und passieren dabei einige christliche Patriarchate, armenisch orthodox, griechisch katholisch und andere, ich bin schon ganz durcheinander. Dort kann ich eine Kerze anzünden und kurz innehalten.
Weiter geht es zu einem Marienheiligtum in Harissa. Die Statue schaut über Beirut aufs Meer hinaus. Es sind viele Menschen da, um zu beten oder auch nur den Ausblick zu genießen.
Dann fahren wir die Berge hinauf, bis wir in Broumanna ankommen. Luftkurort Beiruts. Und ein Sitz der Barmherzigen Schwestern. Dort wohnen wir, in einem alten drusischen Palast. Gemeinsam mit den Kindern von St. Vincent und den Schwestern.
Der Libanon hat uns gut aufgenommen.