Kriegsenkel
Manchmal fällt einem ein Buch in die Hände, das einen von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.
„Kriegsenkel: Die Erben der vergessenen Generation“ von Susanne Bode ist so ein Buch. Ich habe mir ehrlich gesagt noch nie darüber Gedanken gemacht, ob der Zweite Weltkrieg mein Leben maßgeblich beeinflusst hat. Natürlich habe ich viele Geschichten über den Krieg gehört. Meine beiden Großeltern haben immer wieder davon erzählt. Ohne den Krieg hätten sich Oma und Opa väterlicherseits wahrscheinlich nicht kennengelernt. Wobei eine Geschichte von meiner Oma immer wieder kam. Als sie aus Metz flüchten musste, blieben die Möbel zurück. Das hat sie oft beklagt. Ich habe mich als Kind immer wieder gefragt, was so schlimm sein sollte, wenn man die Möbel zurücklässt, man kann sich ja neue anschaffen. Ich hatte diese Geschichte vergessen, bis ich Bodes Buch gelesen habe. Jetzt ist mir klar, dass es nicht um die Möbel ging, sondern um den Verlust der Heimat. Dass Oma ihr Trauma nicht anders benennen konnte. Als Kind konnte ich das noch nicht verstehen. Vielleicht ist das der Grund, warum ich in den letzten 20 Jahren so viel mit Menschen gearbeitet habe, die auch fliehen mussten. Ich habe ganz viele Geschichten erfahren von den Flüchtlingen. Und jede einzelne hat mich interessiert. Ich habe viel zugehört. Fluchtgeschichten aus Bosnien, aus Vietnam, aus Somalia und vielen anderen Ländern. Vielleicht habe ich unbewusst versucht dadurch auch meine Oma zu verstehen. Wer weiß?