Der Jedermann hat etwas Mystisches
Das Salzburger BühnenErlebnis packt aus, was am „Jedermann“ fasziniert
Mit seinem „Jedermann“ hat Hugo von Hofmannsthal ein zeitloses Theaterstück geschaffen. Im Jahre 1911 wurde es in Berlin in einem Zirkuszelt uraufgeführt. Er war es, der dieses Stück gemeinsam mit dem Regisseur Max Reinhardt nach Salzburg brachte. Seit dem Jahre 1920 wird es nun ununterbrochen bei den Salzburger Festspielen auf dem Domplatz gespielt. Dabei verwob Hofmannsthal dramaturgische Vorbilder aus mittelalterlichen Mysterienspielen, wo Allegorien und Personifikationen abstrakter Wirklichkeiten auftreten und den frühneuzeitlichen Stoff „Von dem sterbenden reichen Menschen“, den der Nürnberger Meistersinger Hans Sachs verfasste. Zweifellos spricht der Stoff auch über die Festspiele hinaus sein Publikum an.
Denn nicht nur in Salzburg, sondern an vielen Orten und anderen Schauplätzen wird er lebendig inszeniert. Zartbitter fragte beim Salzburger BühnenErlebnis Bamer Ebner nach. Das Ensemble spielt im August den Jedermann im Gut Edermann bei Teisendorf in Bayern nun schon zum vierten Mal. Die SchauspielerInnen sprechen aus ganz persönlicher Sicht über die Faszination, die der „Jedermann“ auf sie ausübt.
Hier sehen Sie einen kurzen Einblick in die Inszenierung. Lesen sie unten weiter …
Intensive Kindheitserinnerungen
Beginnen wir mit dem Schauspieler, der den Jedermann schon am längsten kennt. Erwin Slavetinsky (Dicker Vetter, Spielansager) ist seit seiner Kindheit vom Theater begeistert. Er begleitete seine Eltern auf den Salzburger Domplatz und war bereits als Kind sehr beeindruckt. „Damals mimte Will Quadflieg (1952-1959) den Jedermann. In den Autobussen saßen die kostümierten Schauspieler.“ Erst später, als Slavetinsky den „Teufel“ bei der Inszenierung auf der Festung Hohensalzburg spielte, hat er sich intensiver mit den Texten auseinander gesetzt. Der Stoff beschäftigt sich mit menschlichen Grundfragen: „Was soll aus unserem Leben werden? Die Sucht nach Materiellem wird bedeutungslos. Der Tod holt uns alle ein.“
Von ähnlich intensiven Kindheitserinnerungen spricht Barbara Hagen-Walther (Mutter, Glaube). Als Maximilian Schell (1978-1982) den Jedermann zum Besten gab, war sie als kleines Kind dabei. Sie begleitete ihren Vater, der damals den Gerichtsdiener (Büttl) spielte. Stolz zeigt sie mir ein Bild aus dem Jahre 1984, wo sie mit dem kostümierten Vater posierte. „Dieses Bild habe ich immer in meiner Geldbörse bei mir.“
Allegorien werden lebendig
Die Rolle der Mutter macht ihr Spaß und die des Glaubens, findet Hagen-Walther inhaltlich schwierig, wenn auch sehr inspirierend. Das Stück lebt stark von den Personifaktionen der abstrakten Wirklichkeiten. Diese beeindrucken alle Schauspieler des Ensembles. Daniel Kranawitter (Schuldknecht und Mammon) fasziniert die eigene persönliche Auseinandersetzung mit der Rolle des Mammons. „Die Allegorien verleihen dem Stück Lebendigkeit und Witz.“
Dieser ist in außerordentlichen Maße in der Worten des Teufels zu erkennen, den Christine Walther verkörpert. Sie sieht im Stück die Urfragen des Lebens gestellt: „Gibt es Gott oder nicht? Menschliche Themen wie Beruf, Freunde, Familie und Krankheit werden hinterfragt.“ Walther spielt außerdem die Rolle des Todes. Der führt vor Augen, dass die Zeit begrenzt ist. „Im Sterben ist jeder allein. Jedermann hat Angst vor dem Tod, weil er mit sich nicht im Reinen ist.“
Dem Blumenkind und Schuldknechtsbild Johanna gefällt speziell der Teufel, „denn er ist gut und lustig gespielt.“ Ihre Schwester Elena findet dagegen den Tod spannend, da er so gruselig echt ist. Für die zehnjährige Laura ist „einfach alles“ faszinierend.
Die kritische Stimme im Ensemble
Daniel Holzbauer (Dünner Vetter, Spielansager) spielt mit, weil er schon oft gemeinsam mit Angelika Bamer-Ebner und mir auf der Bühne gestanden ist. Das macht ihm Freude. Im Stück kommt ihm zu oft das Wort Gott und das Thema Schuld vor. „Der Jedermann ist ein Theaterstück für nicht Theatermenschen. Die Message ist leicht zu verstehen.“ Trotzdem ist auch er im vierten Jahr wieder mit von der Partie. Die Kinder haben ein besondere Freude mit ihm, denn als Jukebox hinter der Bühne hat er immer ein lustiges Lied auf Lager.
Zeitlose Aktualität, die jedermann betrifft
Für Monika Seidenfuß-B. (Werke, Schuldknechts Frau) verliert der Stoff nie an Aktualität. „Der Jedermann zieht die Menschen immer in den Bann. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit.“ In dieselbe Kerbe schlägt Arnold Niederhuber (Koch, Büttl, Knecht). Er weiß, dass sich jeder Mensch mit diesen Themen beschäftigt und „sich darüber Gedanken macht, warum er auf dieser Welt lebt.“
Irmgard Böttcher (Arme Nachbarin, Tischdame) befasst sich intensiv mit dem religiös gefärbten Schluss und „die Konfrontation mit dem eigenen Tod.“ Für mich selbst als Jedermann Darsteller ist ein ganz entscheidendes Kriterium für das Gelingen der Rolle: Schaffe ich in der Begegnung mit dem Glauben und den Werken den Wandel vom skrupellosen Lebensmenschen zum Mann, der wirklich glauben kann und mit sich ins Reine kommt. Ist diese Veränderung glaubwürdig, dann hast du es geschafft und kannst in Ruhe sterben. Der Tod verliert so seine Angst einflößende Macht.
Der Wunsch Schauspielerin zu werden
Zum Schluss lassen wir die Regisseurin und Buhlschaft Angelika Bamer-Ebner zu Wort kommen: „Mich beeindruckt der Spannungsbogen zwischen dem historischen Stoff in schöner Kunstsprache und der immerwährenden Aktualität des Inhaltes. Zum anderen lässt dieses vielseitige Stück sehr viel Kreativität und Freiraum in der Umsetzung zu.“ In der Bildgewalt hat dieses Meisterwerk für sie etwas Mystisches. Es war zudem das erste Schauspiel, das sie je gesehen hat. „Mit diesem Stück entstand auch der Wunsch, Schauspielerin zu werden.“ Ihr Traum ging in Erfüllung.
Weitere Links:
- Aktuelle Kritik von Veronika Mergenthal im Traunsteiner Tagblatt
- Kulinarische Jedermann Köstlichkeiten im Gut Edermann: European News Agency
- BühnenErlebnis Bamer Ebner
- Gut Edermann