Jeden Abend im Stall das Gleiche: Wenn die Sonne langsam untergeht werden auch die Hühner müde. Sie verlassen die satte, grüne Wiese und machen sich langsam und gackernd in Richtung Stall auf, der ihnen für die Nacht Sicherheit bietet. Im Vorbeigehen werden noch ein paar Körner gepickt, dann geht’s aber gleich im „Hühnermarsch“ über die Leiter rauf zu den Sitzstangen.
Wenn alle oben sind, geht’s los: Es wird gestritten, gehackt, geschimpft und gegackert bis die Sitzordnung für die Nacht klar geregelt ist. Manchmal dauert das eine Weile, obwohl die Hierarchie in der Gruppe feststeht. Dann herrscht Stille; jedes Huhn hat seinen Platz gefunden. Pauli, unser Sulmtaler Junghahn, schart seine Lieblingsdamen auf der höchstgelegenen Sitzstange um sich. Die vier anderen Junghähne gehen auf die andere Stange unterhalb – außerhalb Paulis Reichweite. Bei den Wyandotten, im Stallabteil nebenan, sitzen die älteren Damen oben und die Junghühner auf der Stange darunter. Die Nacht kann somit beginnen.
Und dann, wenn es im Stall schon fast finster ist, geben die Hüher plötzlich Laute von sich, die man den ganzen Tag nicht von ihnen hört. Statt allen möglichen krächzenden typischen Hühnerlauten, beginnen sie nun leise zu singen. Ich kann es nicht anders beschreiben. Es ist ein leises Fiepen, ein Trällern ein leises Pfeifen in unterschiedlichen Tonhöhen – mal leiser mal lauter. Ein paar der jungen Wyandoten beginnen, dann stimmen alle mit ein – selbst die Sulmtalerhühner machen mit. Es ist, als ob sie sich Geschichten vom Tag erzählen, ja miteinander reden, ganz ruhig und friedlich. Vielleicht wird hier ein Streit geschlichtet, der noch am Tag herrschte, oder es wird einfach nur „gute Nacht“ gesagt – ich weiß es nicht.
Tierforscher haben festgestellt, dass Tiere „Worte“ verwenden, bei Hühnern sind das ca. 35, habe ich gelesen.
Der Mensch braucht ca. 1300 Wörter, um sich verständigen zu können. Und trotz dieses Wortreichtums, kann ich den Moment, wenn Hühner singen, nicht richtig mit Worten beschreiben. Er hat für mich einfach etwas Magisches. Wenn ich dabei zuhöre, bekomme ich geradezu Gänsehaut. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie überhaupt belauscht werden möchten, aber ich kann nicht anders, denn diese singenden Töne, berühren mich im Innersten.
Darum gehe ich jeden Abend aufs Neue in den Hühnerstall und lausche.
So kann ich spüren, dass es meinen Hühnern gut geht. Sie singen sich in den Schlaf bis die Nacht hereinbricht. Dann verstummen ihre Lieder.