Männer stehen nach wie vor an der Spitze der Schaltzentralen der Macht. Das hat sich kaum verändert. Sie verdienen mehr als Frauen für dieselbe Arbeit. Kirchliche Weiheämter sind ausschließlich Männern vorbehalten.Aber Männer sind auch ganz unten in der Gesellschaft überrepräsentiert. Die Männer, die durch Krisen wie Scheidung, Verlust der Arbeit, Alkoholsucht und Gewalt aus allen Auffangnetzen herausgefallen sind. Männer, die nichts zu verlieren haben, sind in der gängigen Meinung selbst schuld, da sie dieses System auch kreiert haben. Sie haben anscheinend kein Mitleid verdient.
Ich bin seit mehr als zehn Jahren in der Männerarbeit tätig und habe da viel erlebt. Wir füllen keine Stadien bei unseren Männertagen, Seminaren, Vorträgen. Beim heutigen Vortrag „Abschied vom ‚Arbeitstier‘ Mann“ werden sich nicht viele Männer einfinden. Trotz umfassender Werbung mit Plakaten, Annoncen in der Zeitung, auf Facebook und einem tollen ganzseitigen Interview mit dem Referenten in den Salzburger Stadtnachrichten, werden wir eine überschaubare Gruppe sein. Das frustriert mich. Es ist das Gefühl, sich im Kreis zu drehen. Mache ich da etwas falsch?
Ich will kein Mitleid. Mir geht es ja gut. Geht es uns Männern gut, frage ich mich? Pauschalurteile helfen überhaupt nicht weiter. Aber: Wie fühlst du dich, wenn in der Arbeit immer mehr in kürzerer Zeit gefordert wird? Wenn du dich voll reinhängst, und dann keine Anerkennung zurückkommt, aber noch mehr Effizienz von dir gefordert wird? Du als 50+ Mann durch einen Jüngeren ausgetauscht wirst? Du jeden Tag ein paar Bier brauchst oder ein Flasche Wein, damit du wieder auf Normal- oder Stand by Modus kommst? Du dich ja im Grunde gerne um die Kinder fürsorglich kümmern würdest, du aber seit der Geburt deines Kindes mehr arbeitest, weil du glaubst, die ganze Familie versorgen zu müssen? Wie geht es dir Mann?
Am Wochenende schaust du Sebastian Vettel beim Siegen zu. Schon beeindruckend, nicht? Da ist Mann über den HD Flachbildschirm mit der großen Welt verbunden. Das ist eine Männerwelt wie aus 1001 und einer Nacht: Technik, Geschwindigkeit, lockerer Sprüche und Boxenluder. Vettel fährt ja auch in einem österreichischen Team, aber trotzdem nur stupid im Kreis. In der künstlich inszenierten freien Welt des Motorsports hat der Wunsch nach demokratischer Freiheit wie in Bahrain keine Chance.
Ist die Formel 1 Saison vorüber, dann ist ja auf unseren Marcel Hirscher verlass. Ich schaue ihm auch gerne zu, in welcher Perfektion er den Slalomhang an den Torstangen hinunterkurft und am Ende immer jubelt. Außerdem kommt er echt sympathisch über die Bildschirme. Der Mann ist einem extremen Druck ausgesetzt. Letztlich zählt nur der Sieg. Leistungsdenken auf die Spitze getrieben.
Kriegshelden sind nicht mehr angesagt, der Sportler hat die Funktion des Kriegers übernommen. Die Krieger sind in die Welt der Blockbuster ausgewandert: Iron Man, X Man, Wolverine und Bruce Willis. Bruce hat einen Sonderstatus. Da kann sich George Clooney eine Scheibe abschneiden. Bruce stählerner Körper wird immer verwundet. Seine Schrammen und Schussverletzungen werden immer grandios ins Bild gesetzt. Das scheint mir ein wesentlicher Punkt zu sein.
Die Wunde – äußerlich aber vor allem innerlich – ist ein hilfreicher Zugang zur Männerseele. Den Finger auf die Wunde zu legen tut weh. Das macht niemand gern. Sich der eigenen Verwundbarkeit zu stellen, ihr Raum zu geben, schwächt auf den ersten Blick. Die konstruierte Identität beginnt zu wanken. Die unversorgte Wunde meldet sich immer wieder. Denn Abspalten hilft nichts.
Aber das ist doch überhaupt nicht notwendig. Heilung und Veränderung geschieht nur, indem ich mich meinen Verletzungen widme. Aktiv – nicht aus einer Opferperspektive – aber gewiss nicht mit Gewalt. Heutige Helden – sofern dieser Begriff nicht schon längst überholt ist – blicken ins Auge des Sturms, verzweifeln nicht am Scheitern, leben in der Ambivalenz, Kommunizieren und haben Vertrauen. Sie wissen, dass sie über vieles im Leben keine Kontrolle haben und können auch geschehen lassen. Orte, wo das eingeübt werden kann, sind unverzweckte Zeiten für sich selbst, nicht zuletzt in einer Männergruppe. Dort trifft man Männer, die sich nichts beweisen müssen, die aus dem Konkurrenzkampf aussteigen und einfach leben wollen. Das tut Mann gut und macht obendrein auch Spass.