13,50 € für Bilder, die ein Schöffe wohl nie vergisst!
Offener Brief an den Justizminister:
Sehr geehrter Herr Bundesminister Brandstetter!
Ich durfte (musste) gestern als Staatsbürger meiner Pflicht nachgehen und war bei einem Strafprozess als Schöffe eingeteilt. Es handelte sich um einen „Missbrauchs-Prozess“ (nähere Details der Umstände finden Sie z.B. hier http://salzburg.orf.at/news/stories/2684541/ oder aus einem Artikel der Salzburger Nachrichten als Screenshot anbei)
Als Vater von zwei Kindern (3 und 8 Jahre alt) geht mir so etwas sehr nahe. Im Rahmen der Beweiswürdigung bei der gestrigen Hauptverhandlung musste der Schöffensenat und somit auch ich, dass sichergestellte Beweismaterial – hierbei handelte es sich um Filme – sichten und bewerten.
Worum es mit aber hauptsächlich geht, ist, dass ich nach der Verhandlung einfach nach Hause geschickt wurde. Mit meinen Gedanken, mit meinen Eindrücken und mit dem Erlebten muss ich persönlich nun ein Umgehen finden.
Ich habe das Glück, dass ich bei einem Dienstgeber arbeite (Stadt Salzburg), bei dem es Menschen gibt, die in so einer Sache mit Rat und Hilfe zur Seite stehen.
Ich habe das Glück, dass ich ein funktionierendes soziales Netz und Umfeld habe, so dass ich mit Freunden und Verwandten über das Erlebte reden kann und es so hoffentlich irgendwann einordnen und verarbeiten kann.
Ich weiß bisher nur eines: Vergessen werde ich diese Bilder und diese Eindrücke nie mehr!
Ich weiß aber nicht, wie es da den beiden anderen Schöffen (eine davon war eine Mutter mit drei Kindern) geht. Und das führt mich zu dem Punkt, den ich Ihnen mitteilen möchte: Ich denke es ist nicht professionell und zeitgemäß, dass unbescholtene Bürger mit solch außergewöhnlichen Erlebnissen ALLEIN gelassen werden.
Ich denke es ist von Seiten der Justiz absehbar, wenn es für die Schöffen oder Geschworenen zu solch außergewöhnlichen Belastungen kommen wird. Und darauf sollte sich dann unser Justizsystem vorbereiten. Auch wenn das Erlebte noch sehr frisch ist, weiß ich schon heute, dass es mich persönlich viel Kraft und Zeit kosten wird, dieses zu verarbeiten.
Aus meiner beruflichen Erfahrung weiß ich, dass das Rote Kreuz und andere Einrichtungen für sehr schwierige Kommunikationsaufgaben zuständig sind und Kriseninterventionsteams haben. Ich denke für solche, wie oben erwähnte Erlebnisse, sollte das Justizministerium mindestens eine Liste von (Beratungs)Einrichtungen, an die man sich wenden kann, anbieten, und besser noch, geeignete Personen zur Verfügung zu stellen, um solche Eindrücke aufarbeiten zu können.
Zur Erklärung die oben erwähnten 13,50 Euro waren meine „Entschädigung“ für Abreisekosten und für ein Mittagessen. Ich sende diesen Brief auch an die Justizsprecher/Innen der Parlamentsparteien, weil ich fest davon überzeugt bin, dass für die Zukunft das geändert gehört.
Aus meinen Gesprächen weiß ich, dass ich mit dieser Meinung nicht alleine dastehe. Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe bis dahin mit
Mit freundlichen Grüßen!
Jochen Höfferer