name der rose 2.0
zwischen den seiten der staub von alten zeiten
bücher saugen, seite für seite? ich hab’s gemacht. vier tage lang hab ich bei der bücherreinigung in admont mitgeholfen. in der größten klosterbibliothek der welt stehen 70.000 bücher auf zwei kilometern regalfläche in einem einzigen raum unter sieben freskenverzierten kuppeln. neben und unter heiligendarstellungen gibt es erstausgaben von kant, eine uralte „göttliche komödie“ von dante und ein kirchenrecht aus dem 18. jahrhundert, in dem es heißt: „rücksichtlich des wandels der beamten wurde erklärt, dass zu den […] eingerissenen sittenverderbnisse besonders das üble beispiel der staatsdiener, beamten […] beigetragen hat“. beamten-bashing schon damals. genial auch ein wörterbuch: zwischen „jauchzen“ und „jawort“ hat irgendwann jemand „jause“ mit bleistift dazugeschrieben, und dass das unter „vesper“ zu finden sei. mit den lateinischen büchern war ich schneller fertig…
leichen, larven, eier
als ennstalerin hat mich der bücherschatz in admont schon als kind überwältigt. dass ich dort mithelfen konnte, das war nicht wie arbeit für mich, sondern eher ein aktiv-urlaub. warum das ganze? die undichten fenster sind zwar eine natürliche klimaanlage, aber auch eingangstür für insekten – ebenso die vielen menschen, die admont besuchen. der bibliothekskäfer und sein gefolge hatten sich zwischen den seiten festgesetzt und lebten gut von altem leim und papier. die bibliothek wurde deshalb begast, eineinhalb jahre lang haben vier mitarbeiterinnen seite für seite die leichen, larven und eier und den staub weggesaugt. diese schätze in die hand zu nehmen, durch die versteckte tür hinter einem regal auf die galerie hinaufzugehen – für mich als leidenschaftliche leserin war das eine unbezahlbare erfahrung.
stiftsgründung im jahr 1074
das stift admont ist ein benediktiner-stift. erzbischof gebhard von salzburg hat es 1074 nach einer stiftung der heiligen hemma von gurk gegründet. ich hab‘ eine messe besucht, eine bibliotheksführung mitgemacht, die ringelblumen im kräutergarten studiert und die gleichförmigkeit des kloster-rhythmus‘ genossen. und dabei ein paar christliche werte aufgefrischt. nächstenliebe und barmherzigkeit. die sieben hauptsünden, eindrucksvoll dargestellt in den holzskulpturen von josef stammel. habsucht, neid und trägheit/überdruss sind darunter. und dass das auch meinen alltag betrifft. es waren vielleicht die vier wertvollsten urlaubstage heuer.